Auch der Schenkel kann das Handy iSd. § 23 Abs. 1a StVO „halten“

Seit dem 19.07.2018 hat der Gesetzgeber die Fragen bezüglich der Nutzung eines Mobiltelefons im Straßenverkehr im § 23 Abs. 1a StVO neu geregelt. Seitdem versuchen Gerichte deutschlandweit die in der Norm verwendeten Begriffe des Benutzens und Haltens im Sinne des Gesetzgebers zu deuten und auf praktische Fälle anzuwenden, freilich so, dass möglichst viele Handlungen bestraft werden können.

 

Diesem Trend schließt sich das Bayerische Oberste Landdesgericht (BayObLG) mit einer Entscheidung vom 10.01.2022 (201 ObOWi 1507/21) in einem durchaus kuriosen Fall leider an.

Die Autofahrerin fuhr am 18.06.2020 um 11:00 Uhr mit ihrem Pkw aufgrund stockenden Verkehrs langsam in einer Straße, wobei sie – nicht widerlegbar bereits vor Antritt der Fahrt – ihr Mobiltelefon auf dem rechten Oberschenkel abgelegt hatte und kurz durch Tippen mit dem Finger die Wahlwiederholung einer Fluggesellschaft aus- und anwählte. Das Amtsgericht sprach die Fahrerin von der Verhängung einer Geldbuße in Höhe von 100 € und 1 Punkt frei, da es die bloße Bedienung des auf dem Oberschenkel liegenden Mobiltelefons nicht als ein Aufnehmen oder Halten iSd. § 23 Abs. 1a StVO ansah.

Das BayObLG sah dies anders und hob das Urteil auf, dies mit folgender Begründung (abgekürzt):

Den Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit nach §§ 23 Abs. 1a Satz 1 Nr. 1, 49 Abs. 1 Nr. 22 StVO erfüllt, wer ein dort bezeichnetes elektronisches Gerät zum Zwecke der Nutzung aufnimmt oder hält. Entgegen der Rechtsauffassung des Amtsgerichts ist die verbotswidrige Benutzung eines Mobiltelefons durch ein Halten auch dann zu bejahen, wenn das Mobiltelefon zwar nicht mit bzw. in der Hand gehalten, aber auf dem Oberschenkel abgelegt wird.

Vom Wortsinn her bedeutet „Halten“ demnach einerseits „festhalten“ und andererseits „bewirken, dass etwas in seiner Lage, seiner Stellung oder Ähnlichem bleibt“ (www.duden.de „halten“, Bedeutungen). Demnach liegt ein Halten nicht nur dann vor, wenn ein Gegenstand mit der Hand ergriffen wird, sondern etwa auch dann, wenn ein elektronisches Gerät bei der Nutzung zwischen Schulter und Ohr (vgl. OLG Köln, Beschl. v. 04.12.2020 ‒ 1 RBs 347/20 = NZV 2021, 275; AG Coesfeld, Urt. v. 20.04.2018 – 3b OWi – 89 Js 2030/17-306/17 = DAR 2018, 640) bzw. zwischen Oberschenkel und Lenkrad fixiert wird (König DAR 2020, 362, 372). Darüber hinaus ist ein Halten aber auch dann gegeben, wenn ein in § 23 Abs. 1a StVO genanntes Gerät in sonstiger Weise mit Hilfe der menschlichen Muskulatur in seiner Position bleibt. Nur so kann ein Mobiltelefon während der Fahrt, verbunden mit den damit einhergehenden Geschwindigkeits- und Richtungsänderungen, nicht allein durch die Schwerkraft auf dem Schenkel verbleiben, sondern es bedarf bewusster Kraftanstrengung, um die Auflagefläche so auszubalancieren, dass das Mobiltelefon nicht vom Bein herunterfällt. Auch dieses durch menschliche Kraftanstrengung bewirkte Ausbalancieren unterfällt dem Begriff des Haltens.

Für dieses Ergebnis sprechen auch Sinn und Zweck der Regelung des § 23 Abs. 1 Satz 1 StVO. Die Vorschrift verlangt, dass Sicht und Gehör des Fahrers während der Fahrt nicht beeinträchtigt sind. Dementsprechend erlaubt § 23 Abs. 1a StVO die Benutzung eines dort genannten elektronischen Geräts nur dann, wenn hierfür das Gerät weder aufgenommen noch gehalten wird und entweder nur eine Sprachsteuerung oder eine Vorlesefunktion genutzt wird oder die Bedienung des Geräts nur eine kurze Blickzuwendung erfordert. Wenngleich die Vorschrift des § 23 Abs. 1a StVO damit in erster Linie auf die Verhinderung solcher Verhaltensweisen abzielt, die dazu führen, dass der Fahrzeugführer nicht mehr beide Hände zum Lenken seines Fahrzeugs zur Verfügung hat und/oder seinen Blick vom Verkehrsgeschehen abwenden muss, so besteht der Sinn der Vorschrift darüber hinaus gehend darin, solchen nicht mit dem Führen eines Kraftfahrzeugs in Zusammenhang stehenden Verhaltensweisen entgegenzuwirken, die sich abträglich auf die Notwendigkeit der Konzentration auf das Verkehrsgeschehen auswirken (OLG Köln a.a.O.; OLG Hamm, Beschl. v. 03.11.2020 – 4 RBs 345/20 = NJW 2021, 99 = ZfS 2021, 53 = DAR 2021, 107; König a.a.O. § 23 StVO Rn. 14, 30). Um eine solche fahrfremde Tätigkeit mit erheblichem Gefährdungspotenzial handelt es sich hier zweifelsohne. Das Halten eines Mobiltelefons durch Ausbalancieren auf dem Oberschenkel, insbesondere auf dem rechten Oberschenkel, mit dessen Hilfe üblicherweise Gaspedal und Bremse betätigt werden, stellt sich als mindestens ebenso gefährlich dar, wie das Halten in der Hand.

 

Das BayObLG reiht sich mit seiner Entscheidung in den Trend anderer Obergerichte, über den wir hier bereits berichtet haben.

Dabei bleibt es ein Rätsel, weshalb das Gericht von der Notwendigkeit eines Ausbalancierens des Handys ausgeht und wo bei der Ablenkung ein Unterschied besteht zu einem in der Mittelkonsole liegenden Handy oder zu bedienenden Knöpfen, was ja zulässig ist.

 

Es ist daher umso wichtiger (da es oft an unmittelbaren Zeugen als Insassen fehlt) den richtigen Vortrag gegenüber der Polizei oder dem Gericht zu bringen. Das sollten Sie stets einem Fachanwalt für Verkehrsrecht überlassen!!

Bei Konfrontation mit einem solchen Vorwurf (bereits durch die Polizei) gilt also für Sie folgendes:

KEINE ANGABEN MACHEN

FACHANWALT FÜR VERKEHRSRECHT KONTAKTIEREN

 

Allseits gute Fahrt!!