Neues Urteil zur Abgrenzung der Handelsvertretertätigkeit

Das Oberlandesgericht München hat sich in dem Endurteil vom 16.12.2021, Az. 23 U 855/20 mit der Frage auseinandergesetzt, ob eine Vertriebstätigkeit als eine Handelsvertretertätigkeit einzustufen ist. In dieser Entscheidung sind die Abgrenzungskriterien für eine Handelsvertretertätigkeit in erfreulicher Klarheit ausgeführt worden.

 

Zum Sachverhalt:

Die Beklagte hat ein technisches System entwickelt, welches elektromagnetische Wellen harmonisiert und ihre Produkte (z. B. Armbänder, Aufkleber auf Handys, Stecker, Geräte für Wasserleitungen etc.) über ein mehrstufiges Vertriebssystem (Tippgeber, Fachassistent, Fachberater, Teamleiter) vertrieben, wobei in den entsprechenden Verträgen ausdrücklich bestimmt wurde, dass die Partnerverträge keine Handelsvertreterverträge nach dem Handelsgesetzbuch sein sollen. Der Kläger, der auf der höchsten Vertriebsstufe als Teamleiter tätig war, hat nach Beendigung des Vertrages den Buchauszug geltend gemacht.

Das Landgericht Traunstein hat die Klage abgewiesen, da kein Handelsvertretervertragsverhältnis vorliegen soll. Mit dem Urteil des Oberlandesgerichts München vom 16.12.2021 wurde festgestellt, dass ein Handelsvertretervertragsverhältnis vorliegt, so dass der Buchauszug zugesprochen worden ist.

 

Die Entscheidung:

Das Oberlandesgericht hat eine Tätigkeitspflicht nach dem Vertragsverhältnis angenommen, wobei sich diese aus einer Auslegung des Vertrages ergibt. Dabei ist die vertragliche Regelung, ob ein Handelsvertretervertragsverhältnis vorliegt oder nicht, nicht ausschlaggebend, sondern ausschließlich der Inhalt des Vertrages selbst. Für das Vorliegen eines Handelsvertretervertragsverhältnis sprachen die nachfolgend aufgelisteten vertraglichen Regelungen

 

-die auf längere Dauer angelegte Zusammenarbeit

-die Vielzahl der zu veräußernden Objekte

-das Interesse des Mittlers an der Umsatzförderung

-die Weisungsgebundenheit des Vertragspartners

-die vertragliche Vereinbarung eines Wettbewerbsverbotes

-die vertragliche Vereinbarung der Verschwiegenheitspflicht

-die Vereinbarung von Nachrichts- und Informationspflichten

-die Pflicht des Unternehmens, den Mittler auszustatten

-die Pflicht des Unternehmens, den Mittler mit Informationen zu versorgen

-die regelmäßige Weiterbildung, Qualitätssicherung, Einarbeitung der Fachberater

-die regelmäßige Schulung der Fachberater

-die Verpflichtung zur Unterstützung der Fachberater bei Kundenterminen

-die regelmäßige Teilnahme an Teamtreffen und Workshops

-die regelmäßige Vorlage von Tätigkeitsnachweisen

-die umsatzabhängige Provision

 

Mit diesem Urteil liegt eine weitere Grundsatzentscheidung vor, welche klarstellt, dass eine Vertragsklausel, nach welcher unabdingbare gesetzliche Regelungen für ein Handelsvertretervertragsverhältnis ausgeschlossen werden soll, nicht zulässig ist und ausschließlich der weitere Vertragsinhalt für die Einstufung einer Tätigkeit als Handelsvertretertätigkeit ausschlaggebend ist.