OLG München zur Abgrenzung eines selbstständigen Vertreters zum Angestellten und zur außerordentlichen Kündigung bei Geschäftseinstellung

 

In dem behandelten Fall vor dem OLG München (Az. 7 U 4632/22) erfolgte eine außerordentliche Kündigung des Unternehmens gegen den klagenden Handelsvertreter, welcher u.a. die Zahlung eines Handelsvertreterausgleichs und Schadenersatzes forderte. Das OLG wies die Berufung des Klägers zurück und bestätigte damit das klageabweisende Urteil der ersten Instanz.

Das Gericht nahm im ersten Schritt eine Abgrenzung zwischen einer selbständigen und unselbständigen Tätigkeit vor und stelllte klar, dass es hierfür immer auf eine Gesamtbetrachtung ankommt. Entscheidend sind dabei sowohl die Regelungen im schriftlichen Vertrag, als auch die tatsächliche Umsetzung der Zusammenarbeit in der Praxis. Das OLG bejahte im zugrunde liegenden Fall die selbständige Tätigkeit des Klägers und somit das Vorliegen eines Handelsvertretervertrages.

Im vorliegenden Fall hatte der Handelsvertreter laut Vertrag und gelebter Praxis weitgehende Freiheiten: Er konnte selbst entscheiden, ob er seine Aufgaben persönlich oder durch Dritte erfüllte. Zudem war er nicht an einen bestimmten Arbeitsort gebunden. Beides bewertete das Gericht als Argumente für eine selbständige Tätigkeit, da es an einer typischen Weisungsgebundenheit fehlt. Auch konkrete Vorgaben des Unternehmens zum Vertrieb von Produkten änderten daran nichts, da diese als bloße Rahmenbedingungen zu werten seien.

Ein weiteres Argument des Gerichts: Die Form der Vergütung – egal ob erfolgsbezogene Provisionen oder fixe Pauschalen – ist nicht entscheidend für die rechtliche Einordnung. Ausschlaggebend ist, wie die Leistung konkret erbracht wird, nicht, wie sie vergütet wird.

Im zweiten Teil der Entscheidung setzte sich das OLG mit der Frage auseinander, ob das Unternehmen den Handelsvertretervertrag außerordentlich kündigen durfte, weil der betroffene Geschäftsbereich nicht mehr rentabel war.

Hierzu führte das Gericht aus, dass Handels- und Versicherungsvertreter grundsätzlich damit rechnen müssen, dass ein Unternehmen seinen Geschäftsbetrieb bei anhaltenden Verlusten einschränkt oder einstellt. Dem Unternehmer sei es grundsätzlich erlaubt, eigenständig über Änderungen im Vertrieb zu entscheiden – auch dann, wenn dies zur Aufgabe eines bestimmten Geschäftszweigs führe. Eine außerordentliche Kündigung des Handelsvertretervertrags könne in solchen Fällen gerechtfertigt sein, sofern die Entscheidung sachlich nachvollziehbar sei. Willkür oder das bewusste Ignorieren schutzwürdiger Interessen des Handelsvertreters lagen hier laut Gericht nicht vor, da das Unternehmen nachweislich über einen längeren Zeitraum Verluste erwirtschaftete.

Abschließend bestätigte das OLG die Wirksamkeit der ausgesprochenen außerordentlichen Kündigung, auch wenn sie mit einer Auslauffrist von fünf Monaten verbunden war. Die betroffenen Handelsvertreter seien rechtzeitig – nämlich mehr als sechs Monate vor Vertragsende – informiert worden. Damit habe das Unternehmen seiner gesetzlichen Informationspflicht nach § 86a Abs. 2 Satz 3 HGB ausreichend Rechnung getragen und die Interessen der Vertreter angemessen berücksichtigt.