Testierunfähigkeit und gemeinschaftliches Testament

 

Mehr als 50 % der Ehepaare, welche ein Testament oder einen Erbvertrag errichten, setzen den jeweils anderen Ehegatten zum Alleinerben, Miterben oder zumindest Vorerben ein. Gemeinschaftliche Testamente sind daher sehr häufig anzutreffen.

 

Sehr oft kommt es noch zu Änderungen der gemeinsamen testamentarischen Verfügungen kurz vor dem Tod eines der Ehegatten. Dies kann durchaus problematisch sein. Denn nicht selten werden diese Testamente unwirksam. Vielfach wird nämlich vergessen, dass bei der Errichtung eines gemeinschaftlichen (Ehegatten-) Testaments beide Eheleute testierfähig sein müssen. Hat einer der Ehegatten also bereits die Diagnose Demenz erhalten oder ist in sonstiger Weise nicht mehr testierfähig, führt eine gemeinsame testamentarische Verfügung nicht zur Änderung bisheriger Verfügungen oder der gesetzlichen Erbfolge.

 

Vielfach wird bei gemeinschaftlichen Testamenten von Eheleuten hinsichtlich der Testierfähigkeit auf die Testierfähigkeit des überlebenden Ehepartners abgestellt. Dies ist aber zeitlich zu spät angesetzt. Denn gemäß §§ 22652267 Abs. 1 BGB setzt die Errichtung eines wirksamen gemeinschaftlichen Ehegattentestaments voraus, dass beide Ehegatten bei der Testamentserrichtung testierfähig sind. Kommen also später Zweifel an der Testierfähigkeit eines der Ehegatten auf, kann dies dazu führen, dass das gemeinschaftliche Testament keine Wirksamkeit entfaltet. Ein gemeinschaftliches Testament muss von Willen beider Eheleute getragen werden. Für eine wirksame gemeinschaftliche Verfügung von Todes wegen ist daher die Testierfähigkeit eines jeden der Ehegatten zwingende Voraussetzung.

 

Gleichzeitig muss bedacht werden, dass bei einem gemeinschaftlichen Testament Vereinfachungen bei der Formwirksamkeit gelten. So muss ein gemeinschaftliches Testament nicht von beiden Eheleuten handschriftlich errichtet werden. Es ist vielmehr ausreichend, wenn einer der Ehegatten das gemeinschaftliche Testament handschriftlich niederlegt und der andere Ehepartner durch den Satz „dies ist auch mein letzter Wille“ sowie mit Unterschrift und Datum seine Zustimmung erklärt.

 

Zur Vereinfachung ein Beispiel:

 

Max und Elsa Mustermann sind verheiratet. Sie errichten am 23.11.2023 ein gemeinschaftliches Testament. Das bedeutet sie setzen sich gegenseitig zu Erben ein. Als Schlusserbe wird die Nachbarin zur Erbin eingesetzt. Max formuliert die gegenseitige Erbeinsetzung, sowie die Schlusserbeneinsetzung der Nachbarin. Er unterzeichnet das Testament. Elsa fügt an: „Dies ist auch mein letzter Wille. München, 23.11.2023, Unterschrift Elsa Mustermann.“

 

Am 20.01.2024 verstirbt Max Mustermann. Am 20.03.2024 verstirbt Elsa Mustermann.

 

  1. Alternative – beide Eheleute waren testierfähig

Entfaltet das gemeinsame Testament vom 23.11.2023 seine Wirksamkeit, weil Max und Elsa Mustermann testierfähig waren, wird Max Mustermann von seiner Ehefrau Elsa Mustermann als Alleinerben beerbt. Elsa Mustermann wird dann nach ihrem Tod von der gemeinsamen Nachbarin beerbt.

 

  1. Alternative – Elsa Mustermann war testierunfähig

Stellt sich heraus, dass Elsa Mustermann bei Errichtung des Testaments am 23.11.2023 testierunfähig war (z. B. es wurde am 20.11.2023 eine sehr schwere Demenz festgestellt), muss nach dem Todesfall von Max Mustermann zunächst festgestellt werden, dass das gemeinsame Testament vom 23.11.2024 unwirksam ist, weil nicht beide Eheleute testierfähig waren.

 

Es muss dann durch Auslegung und Umdeutung ermittelt werden, ob das Testament für den testierfähigen Max Mustermann Geltung entfaltet.

 

  1. Alternative – Max Mustermann war testierunfähig

Stellt sich heraus, dass Max Mustermann bei der Errichtung des Testaments am 23.11.2023 testierunfähig war, ist das gemeinsame Testament vom 23.11.2024 unwirksam, weil nicht beide Eheleute testierfähig waren.

 

Nach dem Tod von Max Mustermann gilt also die gesetzliche Erbfolge.

 

Nach dem Tod von Elsa Mustermann gilt ebenfalls die gesetzliche Erbfolge. In diesem Fall kann auch keine Umdeutung des gemeinsamen Testaments zugunsten von Elsa Mustermann erfolgen. Elsa Mustermann hat keine eigene Verfügung abgefasst. Die Verfügung hat Max Mustermann abgefasst. Elsa Mustermann hat mithin keine letztwillige Verfügung handschriftlich niedergelegt, sondern nur das von Max Mustermann errichtete Testament mitunterzeichnet.

Das bedeutet vorliegend auch, die Nachbarin wird nicht Alleinerbin von Elsa Mustermann, weil keine verwandtschaftlichen Beziehungen bestehen und die Nachbarin nach der gesetzlichen Erbfolge nicht erben kann. Vielmehr müssen Verwandte von Elsa Mustermann ermittelt werden.

 

 

Der Wunsch von Elsa und Max, dass die gemeinsame nicht verwandte Nachbarin erbt, wird also nicht erfüllt.

 

Dem hätten Elsa und Max vorbeugen können, indem sie die testamentarische Verfügung anders ausgestalten. Beispielsweise wäre hier sinnvoll gewesen, eine Formulierung mit aufzunehmen, dass die testamentarische Verfügung auch gelten soll, wenn sich später herausstellen sollte, dass einer der Eheleute bei Errichtung des gemeinschaftlichen Testaments testierunfähig war.

Darüber hinaus wäre Elsa und Max zu empfehlen gewesen, dass Elsa nicht nur mitteilt, dass dies auch ihr letzter Wille ist, sondern dass sie nochmals wiederholt, dass sie ebenfalls ihren Ehemann, für den Fall, dass sie zuerst verstirbt, zum Alleinerben einsetzt und als Schlusserbe von beiden Eheleuten die gemeinsame Nachbarin eingesetzt wird. So hätte zumindest bei beiden Todesfällen eine Verfügung von Todes wegen vorgelegen. Es würde somit zumindest die Möglichkeit entstehen, eine Umdeutung in ein Einzeltestament vorzunehmen. Darüber hinaus wird durch den vorangegangenen Satz auch klargestellt, dass die gemeinsame Erbeinsetzung und Schlusserbeneinsetzung der Nachbarin auch gelten soll, wenn nur einer der Eheleute testierfähig war.

 

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