Voraussetzungen der personenbedingten Kündigung einschließlich des betrieblichen Eingliederungsmanagements

Eine Kündigung wegen Erkrankung des Arbeitnehmers ist einer der schwierigsten Kündigungsgründe überhaupt, weshalb es nicht empfehlenswert ist, eine auf die Erkrankung eines Arbeitnehmers gestützte Kündigung ohne Rücksprache mit einem Rechtsanwalt auszusprechen.

 

Neben dem kündigungsrelevanten Sachverhalt müssen die nachfolgenden Voraussetzungen gegeben sein:

  1. erhebliche Beeinträchtigung vertraglicher oder betrieblicher Interessen,
  2. Negativprognose,
  3. keine vorrangigen milderen Mittel und
  4. Interessenabwägung zugunsten des Arbeitgebers.

 

  1. Erhebliche Beeinträchtigung vertraglicher oder betrieblicher Interessen

Es muss tatsächlich feststellbare Auswirkungen der Nichtleistung oder der Minderleistung des Arbeitnehmers beim Arbeitgeber geben. Störungen des Betriebsablaufs trotz getroffener Vorkehrungen und wirtschaftliche Belastungen können erhebliche Beeinträchtigungen darstellen. Jedem Arbeitgeber muss bewusst sein, dass er ggf. Geschäftsinterna in Form von Geschäftszahlen offenlegen muss.

 

  1. Negativprognose

Die Kündigung darf den Arbeitnehmer nicht für vergangenes Verhalten oder Vorkommnisse bestrafen, sondern dient dazu den Arbeitgeber vor zukünftigen unzumutbaren Belastungen zu schützen. Daher kommt es vor allem bei Erkrankungen als Kündigungsgrund darauf an, dass eine negative Prognose hinsichtlich der Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers für die Zukunft vorliegt.

 

  1. Keine vorrangigen milderen Mittel

Bis zum Ausspruch der Kündigung müssen zunächst alle vorrangigen milderen Mittel ausgeschöpft werden. In Betracht kommen hier unter anderem je nach den Umständen des Einzelfalles die Weiterbeschäftigung auf einem anderen ggf. leidensgerechteren Arbeitsplatzes, die Änderung der Arbeitsbedingungen, Kürzung der Arbeitszeiten oder eine Umschulung des Arbeitnehmers.

Ein milderes Mittel ist auch das betriebliche Eingliederungsmanagement bei krankheitsbedingter Kündigung. Sind Beschäftigte innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig, hat der Arbeitgeber das betriebliche Eingliederungsmanagement durchzuführen, vgl. § 167, 84 SGB IX. Ziel des betrieblichen Eingliederungsmanagements ist es, unter Beteiligung verschiedener Interessenvertretungen eine Möglichkeit zu finden, wie die Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers überwunden und eine dauerhafte Rückkehr an den (ggf. neu zu bestimmenden) Arbeitsplatz gesichert werden kann unter Vorbeugung einer erneuten Arbeitsunfähigkeit und Erhalt des Arbeitsplatzes.

Das betriebliche Eingliederungsmanagement setzt voraus, dass sowohl Arbeitnehmer, als auch Arbeitgeber zustimmen. Eine Ablehnung von einer Seite kann die Verteidigung gegen die Kündigung (Arbeitnehmer) oder die WIrksmkeit einer Kündigung (Arbeitgeber) erschweren.

Das Bundesarbeitsgericht hat vor kurzem entschieden, dass ggf. auch mehrmals ein betriebliches Eingliederungsmanagement durchgeführt werden muss.

In dem durch das Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall war der Arbeitnehmer im Jahr 2017 an 40 Arbeitstagen, im Jahr 2018 an 61 Arbeitstagen und im Jahr 2019 an 103 Arbeitstagen arbeitsunfähig erkrankt. Am 05.03.2019 wurde ein Gespräch zur Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagement durchgeführt. Nach dem 05.03.2019 bis zur Kündigung war der Arbeitnehmer erneut an 79 Arbeitstagen arbeitsunfähig erkrankt. Der Arbeitgeber kündigte im Februar 2020 unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist zum 31.08.2020.

Das Bundesarbeitsgericht stellt in letzter Instanz nun fest, die Kündigung war ungerechtfertigt, da vorrangige mildere Mittel nicht ausgeschöpft wurden, Der Arbeitgeber ist beweisbelastet dafür, dass ein (weiteres) betriebliches Eingliederungsmanagement nicht dazu hätte beitragen können, neuerliche Arbeitsunfähigkeitszeiten entgegenzuwirken und das Arbeitsverhältnis zu erhalten. Zwar stelle das betriebliche Eingliederungsmanagement kein milderes Mittel gegenüber die Kündigung dar, mit dessen Hilfe könnten aber mildere Mittel als die Beendigung des Arbeitsverhältnisses erkannt und entwickelt werden, weshalb es vom Verhältnismäßigkeitsgrundsatz erfasst sei.

Maßgeblicher Zeitpunkt, ob die Kündigung durch mildere Mittel hätte vermieden werden können, ist der Zeitpunkt der Zugang der Kündigung. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Arbeitgeber jedoch keine (weiteres) betriebliches Eingliederungsmanagement als milderes Mittel durchgeführt. Dieses wäre aber notwendig gewesen, weil nach dem letzten Eingliederungsmanagement beinahe ein Jahr verstrichen und neuerliche Krankheitszeiten aufgetreten seien. Nachweise, dass ein erneutes betriebliches Eingliederungsmanagement die Krankheitszeiten hätte nicht reduzieren und damit trotzdem zu einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses geführt hätten, konnte der Arbeitgeber nicht nachweisen

Die Entscheidung zeigt wieder, dass das betriebliche Eingliederungsmanagement einen ganz erheblichen Stellenwert bei der Beurteilung der Wirksamkeit einer personenbedingen Kündigung einnimmt und daher nicht zu vernachlässigen ist.

 

  1. Interessenabwägung

Sind alle anderen Voraussetzungen gegeben, muss der Arbeitgeber schließlich noch eine Interessenabwägung vornehmen, an deren Ende die Interessen des Arbeitgebers die des Arbeitnehmers überwiegen müssen.

 

Gerne sind wir Ihnen bei arbeitsrechtlichen Fragestellungen behilflich. Schreiben Sie uns gerne eine Email über kanzlei@heinicke-eggebrecht.de oder rufen Sie uns an unter +49(0)89 552261-0.