Anwendung des Mindestlohngesetzes auf ausländische Pflegekräfte

Die Anzahl der Betreuungsassistenten aus Osteuropa, vor allem aus Bulgarin Rumänien und Ungarn, zur Betreuung von Senioren im Alltag in Deutschland hat in den letzten Jahren stark zugenommen. Als Vorteil galt, dass die Kosten von osteuropäischen Betreuungsassistenten deutlich geringer waren als aus dem Inland und dem restlichen europäischen Ausland.

Mit diesen Billigpreisen dürfte nunmehr Schluss sein. Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass auch für Betreuungsassistenten aus Osteuropa das deutsche Mindestlohngesetz zur Anwendung gelangt. Das bedeutet es gelten die deutschen Mindestlohnsätze von € 8,84 (2017 & 2018), € 9,19 (2019), € 9,35 (2020), € 9,50 (01.01.2021-30.06.2021), € 9,60 (01.07.2021-31.12.2021), € 9,82 (01.01.2022-30.06.2022) und € 10,45 (01.07.2022-31.12.2022).

Im Übrigen kommt es nicht nur auf die vertragliche Vereinbarung zu den Arbeitsstunden, sondern auch auf den Aufgabenkreis und die tatsächlichen Arbeitsstunden an, sowie ggf. Überstunden.

In dem durch das Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 24.06.2021) entschiedenen Fall hatte eine bulgarische Staatsangehörige mit Wohnsitz in Bulgarien geklagt. Seit 2015 war sie als Betreuungsassistenten bei dem Beklagten, einem ungarischen Unternehmen beschäftigt. Die Klägerin wurde nach Deutschland geschickt, wo sie eine deutsche Agentur an eine 90-jährige Seniorin in Berlin vermittelte. Im Arbeitsvertrag zwischen der Arbeitnehmerin und dem ungarischen Unternehmen wurde eine Arbeitszeit von 30 Stunden wöchentlich, wobei Samstag und Sonntag arbeitsfrei sein sollten zu einer monatlichen Vergütung von € 950,00 vereinbart. Der Dienstvertrag der betreuenden Seniorin mit der deutschen Vermittleragentur sah dagegen eine 24 Stunden Betreuung/Pflege vor, in der auch „Nachtwachen notwendig“ sind. Die Klägerin trug vor, sie habe tatsächlich 24 Stunden/Woche gearbeitet. Während der Nachtstunden habe Rufbereitschaft bestanden. Sie verlangte daher eine Vergütung für die tatsächlich geleisteten, aber bisher nicht berücksichtigten zusätzlichen Arbeitsstunden auf Grundlage des deutschen Mindestlohngesetzes.

Das Bundesarbeitsgericht gibt der Klägerin recht, dass das deutsche Mindestlohngesetz auf das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nach ungarischem Recht Anwendung findet. Der Mindestlohn ist für alle Stunden zu zahlen, während derer ein Arbeitnehmer die vertraglich geschuldete Arbeit erbringt.

Es mag kurios sein, dass sich ein deutsches Gericht mit einem Arbeitsvertrag zwischen einer bulgarischen Arbeitnehmerin und einem ungarischen Arbeitgeber beschäftigt. Da die Arbeitsleistung jedoch in Deutschland erbracht wird, ist dies zutreffend. Das Verfahren wird durch die Sprachbarrieren jedoch nicht einfacher.

Interessant wird auch sein, ob das ungarische Unternehmen (Arbeitgeber) nach Verurteilung die deutsche Vermittleragentur und die Berliner Seniorin in Anspruch nehmen wird.

Mit weiteren Klagen ist zu rechnen, da dieses Vermittlungsmodell ausländischer Pflegekräfte seit Jahren als „Erfolgsmodell“ gilt. Ob dies nach der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts ein Erfolgsmodell bleibt, gilt es abzuwarten.

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