Problemaufriss:
Die Inanspruchnahme von Elternzeit ist ein beliebtes arbeitsrechtliches Instrumentarium frisch gebackener Eltern. Während der Elternzeit ruht das Arbeitsverhältnis und lebt mit dem Ende der Elternzeit im gleichen Umfang wie es zuvor bestanden hatte wieder auf. Über die Behandlung offener Urlaubsansprüche respektive deren Verfall wird auf Seiten der Arbeitnehmerschaft während der Elternzeit meist jedoch entweder überhaupt nicht gedacht oder es entstehen hierüber oftmals Irrtümer. Ein Großteil der Arbeitnehmenden vermutet ohnehin durch die Elternzeit den Urlaubsanspruch in Gänze zu verlieren, da schließlich keine Arbeitsleistung erbracht werde. Ein Irrtum, wie ein aktuelles Urteil des Bundesarbeitsgerichts zeigt (BAG, Urteil vom 05.07.2022, 9 AZR 341/21).
Kein Verfall am Ende des Kalenderjahres:
In obigem Urteil stellte das BAG zunächst ausdrücklich klar, dass das Fristenregime des § 7 Abs. 3 Bundesurlaubsgesetz, wonach der gesetzliche Urlaub grundsätzlich im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden muss und nur im Ausnahmefall bis zum 31.03. übertragen werden kann, keine Anwendung während der Elternzeit finde. Die Sonderregelungen der § 17 Abs. 1 und Abs. 2 Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) gingen den Regelungen des § 7 Abs. 3 vor, so das BAG.
Arbeitgeber muss Kürzungsbefugnis ausüben:
Weiterhin stellte das BAG im hier behandelten Fall klar, dass dem Arbeitgeber gemäß § 17 Abs.1 BEEG zwar das Recht eingeräumt werde, den Urlaubsanspruch für jeden vollen Kalendermonat der Elternzeit um ein Zwölftel zu kürzen. Hierfür müsse der Arbeitgeber jedoch sein Kürzungsrecht wirksam ausüben. Eine wirksame Ausübung erfolge durch eine entsprechende Kürzungserklärung, die ausdrücklich oder stillschweigend abgegeben werden könne, z.B. durch Gewährung nur des verkürzten Urlaubs. Die Kürzungserklärung müsse bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses erfolgen, da der Arbeitnehmende mit dem Ausscheiden einen Urlaubsabgeltungsanspruch habe. Dieser wiederum könne nicht gekürzt werden, da das Gesetz die Kürzungsbefugnis ausdrücklich nur auf den „Erholungsurlaub“ bezieht, nicht aber auf einen Urlaubsabgeltungsanspruch.
Arbeitsvertragliche Ausschlussfristen unwirksam:
Ein weiteres Einfallstor zugunsten der Arbeitnehmerschaft stellen die in Arbeitsverträgen sehr häufig verwendeten Ausschlussfristen dar. Hierbei wird regelmäßig ein Anspruchsverfall dergestalt geregelt, wonach die Ansprüche beider Seiten verfallen, wenn der jeweilige Anspruch nicht innerhalb von 3 Monaten nach dessen Fälligkeit dem anderen gegenüber geltend gemacht wird. In der überwiegenden Zahl erwiesen und erweisen sich die jeweiligen Klauseln als unwirksam, mit der Folge, dass meist die regelmäßige Verjährungsfrist von 3 Jahren greift.
Im hier behandelten Fall machte die Arbeitnehmerin ihre offenen Urlaubsansprüche elternzeitbedingt nicht innerhalb von 3 Monaten nach Fälligkeit gegenüber dem Arbeitgeber geltend. Die Arbeitgeberin stützte sich daher (auch) insoweit auf den Verfall der Urlaubsansprüche. Die zwischen den Parteien vertraglich vereinbarte Ausschlussfristklausel war den Richtern in Erfurt jedoch zu weit gefasst, da die Klausel entgegen § 202 Abs. 1 BGB die Haftung wegen Vorsatzes begrenze. Sie könne deshalb auch nicht teilweise aufrechterhalten bleiben, sondern sei insgesamt unwirksam. Damit habe die Arbeitnehmerin im konkreten Fall ihre Ansprüche nicht verspätet geltend gemacht.
Fazit:
Die Elternzeit wird sehr häufig in Anspruch genommen und bietet nicht nur im Hinblick auf Urlaubsansprüche zahlreiche Fallstricke für beide Arbeitsvertragsparteien.
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Rechtsanwalt Alexander Paulus