Verhältnis Auskunftsansprüche zu Provisions- und Rückforderungsansprüchen, sowie Handelsvertreterausgleich und Schadenersatz nach dem OLG Hamm

In diesem Blogbeitrag möchte ich Ihnen einen kurzen Überblick über ein interessantes Urteil des Oberlandesgerichts Hamm Urteil vom 10.11.2022 – 18 U 138/18 geben, das sich mit den Auskunfts- und Einsichtsrechten eines Versicherungsvertreters nach Beendigung des Agenturvertrages befasst hat.

Sachverhalt der Entscheidung

Der Kläger war bis zum 31.03.2014 für den Beklagten, einen Versicherungsverein, als Versicherungsvertreter tätig. Nach der Beendigung des Agenturvertrages verlangte er vom Beklagten unter anderem Einsicht in die Geschäftsbücher und Unterlagen des Beklagten, um zu überprüfen, ob er alle ihm zustehenden Provisionen erhalten hatte. Der Beklagte lehnte dies ab und berief sich darauf, dass er dem Kläger bereits mehrere Buchauszüge erteilt habe. Das Landgericht Dortmund gab dem Kläger teilweise recht und verurteilte den Beklagten zur Gewährung von Einsicht in die Geschäftsbücher und Unterlagen des Beklagten. Das Oberlandesgericht Hamm änderte die Entscheidung leicht ab.

Wesentliche Gründe der Entscheidung

  • Der Kläger habe einen Anspruch auf Einsicht in die Geschäftsbücher und Unterlagen des Beklagten. Dieser Anspruch sei nicht durch die Erteilung von Buchauszügen erfüllt worden, da diese nicht alle relevanten Informationen enthielten.
  • Der Kläger habe ein berechtigtes Interesse an der Einsichtnahme, da er damit seine Provisionsansprüche überprüfen könne. Es sei nicht ausgeschlossen, dass der Beklagte dem Kläger Provisionen vorenthalten habe, indem er Verträge nicht oder falsch zugeordnet habe.Der Anspruch auf Einsichtnahme sei auch nicht verjährt oder verwirkt. Die Verjährungsfrist betrage drei Jahre ab dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden sei. Die Verwirkung setze voraus, dass der Kläger sein Recht längere Zeit nicht geltend gemacht habe und der Beklagte darauf vertraut habe, dass er dies auch künftig nicht tun werde. Beides sei hier nicht der Fall.
  • Inhaltlich dient die Einsicht der Ausräumung der Zweifel am Buchauszug und darf auch nur soweit gehen, diese auszuräumen.
  • Über den Ausgleichsanspruch nach § 89b HGB wurde unzulässig entschieden, da er nicht vor Entscheidung über die Provisionen im Stufenverhältnis hätte abgewiesen werden dürfen; gleiches gilt für die widerklagend verfolgten Provisionsrückforderungen. Es war im Stufenverhältnis vorzugehen.

Relevanz der Entscheidung für die Praxis

  • Der Anspruch auf Bucheinsicht ist nicht durch die Erteilung von Buchauszügen erfüllt, wenn diese nicht alle relevanten Informationen enthalten.
  • Der Anspruch ist nicht verjährt oder verwirkt, wenn der Versicherungsvertreter sein Recht innerhalb von drei Jahren geltend macht und der Versicherer kein schutzwürdiges Vertrauen auf das Unterbleiben der Geltendmachung hat.
  • Im Stufenverhältnis gestellte Anträge sind nach den Stufen abzuarbeiten. D.h. zunächst die Auskunftsstufen, dann die Leistungsstufen auf Provisionen, Rückforderungen und schließlich daraus resultierende Ansprüche auf Schadenersatz und / oder Handelsvertreterausgleich.