Impfpflicht bei Arbeitnehmern Teil 1

Mit dem Anlauf der Impfungen gegen COVID-19 Ende 2020 stellte sich immer häufiger für Arbeitnehmer und Arbeitgeber die Frage nach einer Impfpflicht im Arbeitsverhältnis. Entscheidungen von Gerichten stehen aus, der Artikel kann daher nur den derzeitigen Meinungsstand in der Literatur wiedergeben.

Im ersten Teil beschäftigen wir uns mit der Zulässigkeit einer Impfpflicht.

Der zweite Teil beschäftigt sich mit den Folgen einer Impfpflicht.

Gesetzliche Grundlage einer Impfpflicht

Eine gesetzlich normierte Impfpflicht gibt es bislang nicht. Eine Impfpflicht könnte aufgrund des Eingriffs in das Grundrecht der körperlichen Unversehrtheit jedoch nur durch ein formelles Gesetz angeordnet werden. In der Vergangenheit gab es bereits eine gesetzliche Impflicht anlässlich der Pflicht zur Pockenschutzimpfung sowie auf Grundlage von § 17a Abs. 2 S. 1 SG für „militärische Basisimpfungen“ für Soldaten. Auch die jüngst eingeführte Impfpflicht für Masern für schulpflichtige Kinder in Schulen bzw. Betreuungseinrichtungen tätige Personen stellt eine gesetzlich normierte Impflicht dar. Die genannten Impfpflichten wurden bislang auch als verfassungskonform und damit mit dem Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit eingestuft. Die entsprechende gesetzliche Grundlage für die Anordnung einer Impfpflicht findet sich in § 20 Abs. 4 S. 1 IfSG.

Anordnung einer Impfpflicht durch das Direktionsrecht des Arbeitgebers?

Bei der Frage nach der Anordnung einer Impfpflicht durch das Direktionsrecht des Arbeitgebers muss zwischen Arbeitsverhältnissen ohne spezifische Risikokontakte und Arbeitsverhältnisse mit Kontakten zu vulnerablen Gruppen unterschieden werden.
Grundsätzlich gilt jedoch, dass die entsprechenden Weisungen einer Billigkeitskontrolle unterzogen werden muss. Das bedeutet es muss eine Interessenabwägung durchgeführt werden, wobei die Grundrechte, die gesetzlichen Wertentscheidungen, der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der Verkehrssitte und der Angemessenheit sowie Zumutbarkeit gegenübergestellt werden müssen.

Keine Impfpflicht bei Arbeitsverhältnissen ohne spezifische Risikokontakte

Bei Arbeitsverhältnissen ohne spezifische Risikokontakte wird man eine allgemeine Impfpflicht durch Weisung des Arbeitgebers unterschiedslos für alle Arbeitnehmer in allen Tätigkeitsbereichen als unzulässig erachten müssen. Eine entsprechende Weisung wäre unwirksam. Dies vor dem Hintergrund, dass die Frage, ob sich ein Arbeitnehmer gegen COVID-19 impfen lässt, zum Recht jedes Arbeitnehmers auf persönliche Lebensgestaltung zählt, welches dem arbeitgeberseitigen Weisungsrecht entzogen ist.

Impfpflicht im Einzelfall bei Arbeitsverhältnissen mit Kontakten zu vulnerablen Gruppen

In Arbeitsverhältnissen mit Kontakten zu vulnerablen Gruppen (Krankenhaus, Pflegeeinrichtungen) wird der Einzelfall entscheiden müssen. Zulässig nach Ansicht der Autorin dürfte die Weisung sich impfen zu lassen von Betreibern von Krankenhäusern und Pflegeheimen sein, wenn die Arbeitnehmer aufgrund ihrer beruflichen Tätigkeit einen Anspruch auf eine privilegierte Schutzimpfung gemäß §§ 2 ff. CoronaImpfV haben, die Patienten bzw. die Personen, mit denen sie Kontakt haben, in der CoronaImpfV nicht oder weniger stark privilegiert sind. Dies trifft im Moment unter anderen für Menschen, die lediglich das 70. Lebensjahr erreicht haben und für Krebspatienten zu. Sie werden lediglich der Impfgruppe mit hoher (Menschen vom 70. bis 79. Lebensjahr) oder erhöhter (Krebspatienten) Priorität zugeordnet. Demgegenüber zählt das Personal, welches ältere oder pflegebedürftige Menschen behandelt, betreut oder pflegt, sowie das Personal auf Intensivstationen, in der Notaufnahme, in der Onkologie oder Transplantationsmedizin zur Personengruppe mit der höchsten Priorität.