Reiserücktrittsversicherung: Stornoberatung ist bindend!

 

Eine Reiserücktrittsversicherung ist durchaus sinnvoll bei hochpreisigen Reisen, sowie Anfälligkeiten für Erkrankungen. Auch bei bestehenden chronischen Erkrankungen oder Dauererkrankungen ist ein Abschluss möglich und ratsam.

Versicherungsfall ist dann der Eintritt einer unerwarteten schweren Erkrankung oder eine unerwartete Verschlechterung einer bereits bestehenden Erkrankung.

Da es für den Laien oft schwer ist zu beurteilen, ob man mit einer bestimmten Erkrankung bis zum Reiseantritt noch fit wird oder lieber stornieren sollte, bieten die Versicherer eine sog. Stornoberatung an, in der von einem Mediziner zur Stornierung geraten wird oder eben nicht. Einige Versicherer nahmen ihre eigene Stornoberatung offensichtlich nicht ernst und wollten trotz Rat zum Storno anschließend die Stornogebühren nicht zahlen.

 

Unzulässig, wie das Amtsgericht München in einer Entscheidung vom 16.02.2023 festgestellt hat.

Die Versicherungsnehmerin hatte eine 5-tägige Pauschalreise nach Ibiza zu einem Gesamtpreis von 1.410 EUR gebucht und eine Reiserücktrittsversicherung abgeschlossen. Die Versicherungsbedingungen des Versicherers enthielten folgende wohlklingende Bestimmungen:

„Ihr Service-Plus in der Stornokostenversicherung: Ist Ihre Reise aufgrund von Krankheit, Unfall oder aus anderen Gründen gefährdet? Sind Sie sich unsicher, ob sie ihre Reise antreten können oder doch stornieren müssen? Unsere telefonische Stornoberatung gibt Ihnen hier die richtige Empfehlung. (…) 2.2 Wir unterstützen Sie bei der Entscheidung, ob und wann sie ihre Reise stornieren sollten. (…) 14.3 Haben Sie die medizinische Stornoberatung eingeschaltet und A) empfiehlt diese, die Reise zu stornieren? Dann sind Sie verpflichtet, ihre Reise unverzüglich zu stornieren. …”

Bei der seit mehreren Jahren an Morbus Basedow leidenden Klägerin wurde kurz vor Reisebeginn ein Knoten im Bereich der Schilddrüse festgestellt. Als frühester Arzttermin wurde der Tag vor der geplanten Abreise angeboten. Die Klägerin nahm daraufhin die medizinische Stornoberatung des Versicherers in Anspruch. Dort wurde der Klägerin zur Stornierung der Reise geraten, was die Klägerin dann auch tat.

Der Versicherer wollte sich aber an die Empfehlung der eigenen Stornoberatung nicht halten und lehnte den Ersatz von Stornokosten ab, da die Stornoberatung nur über den Zeitpunkt der Stornierung beraten würde, aber nicht darüber, ob ein Versicherungsfall vorliegt.

 

Unsinn, sagte das Amtsgericht München und gab der Klage vollumfänglich statt.

Dem Gericht kam es gar nicht darauf an, ob der Versicherungsfall tatsächlich eingetreten war, also bei der Klägerin eine unerwartete schwere Erkrankung im Sinne der AVB vorlag, die ein planmäßiges Antreten der Reise unmöglich gemacht habe.

Der Anspruch auf Erstattung der Stornokosten ergebe sich vielmehr aus der zwischen den Parteien geschlossenen Reiserücktrittsversicherung i. V. m. § 242 BGB, also einer Nebenpflichtverletzung des Versicherers. Der Versicherer müsse sich nach dem Grundsatz des venire contra factum proprium (Zuwiderhandeln gegen früheres Verhalten) an dem festhalten lassen, was die Ärztin der medizinischen Stornoberatung der Klägerin in dem Telefongespräch geraten habe.

Das Amtsgericht sah das widersprüchliche Verhalten des Versicherers rechtsmissbräuchlich an, da der Versicherer durch die Stornoberatung bei der Klägerin einen Vertrauenstatbestand geschaffen hat, dass die Stornierung der Reise den vertraglichen Voraussetzungen der Reiserücktrittsversicherung entspricht.

Das Vertrauen der Klägerin in die Empfehlung der Stornoberatung des Versicherers ist auch schutzwürdig. Die Klägerin durfte darauf vertrauen, dass die Ärztin der Stornoberatung sie richtig berät. Dies betrifft sowohl den Zeitpunkt der Stornierung als auch die Frage, ob ein Stornierungsgrund vorliegt.

 

Damit ist die Inanspruchnahme der Stornoberatung des Versicherers eine wichtige Absicherung in der Reiserücktrittsversicherung. Rät Ihnen dieser zur Stornierung, muss sich der Versicherer daran festhalten lassen, unabhängig davon, ob ein Versicherungsfall tatsächlich vorliegt oder nicht.

 

Für die Praxis ist es daher unerlässlich, dass Sie das Stornoberatungsgespräch beweissicher dokumentieren, durch Zeugen oder schriftliche Bestätigungen. Denn nur durch Beweise kommen Sie zu Ihrem Recht!