Problemaufriss
Rückzahlungsklauseln in Arbeitsverträgen und Handelsvertreterverträgen sind häufig anzutreffen. Das BAG hat sich nun in seiner Entscheidung vom 01.03.2022, Az. 9 AZR 260/21 erneut mit der arbeitsrechtlichen Konstellation befasst und Möglichkeiten solcher Klauseln näher skizziert.
Die für das BAG relevante Klausel sah eine Rückzahlungspflicht bei einer Eigenkündigung des Arbeitnehmers nicht vor, wenn diese auf einem vom Arbeitgeber zu vertretenden Umstand beruhe. Diese Klausel hielt das BAG für unzulässig, da es eines billigenswerten Interesses des Arbeitgebers für die Rückzahlung bedarf. Wäre nun der Arbeitnehmer aber unverschuldet nicht in der Lage über eine Bindungsfrist seine Arbeitsleistung zu erbringen, kann der Arbeitgeber ja unabhängig von einer Kündigung nicht mehr die Früchte der Ausbildung ernten.
Entsprechend hatte sich das BAG bereits 2018 positioniert und nun die Richtung gefestigt.
Wozu gibt es Rückforderungsklauseln?
Grds. sind Klauseln zulässig, die eine Rückforderungsmöglichkeit für eine finanzierte Ausbildung oder einen Anschub vorsehen. Die Anforderungen sind gerade im Arbeitsrecht für eine wirksame Klausel jedoch hoch.
Im Einzelnen wir häufig vorgesehen
Zentrale Regelungsgegenstände von Fortbildungsverträgen sind im Wesentlichen die Folgenden:
- Eine Bindungsfrist entsprechend der Fortbildung oder Ausbildung, damit der Arbeitgeber noch hinreichend lange von dem besser ausgebildeten Arbeitnehmer profitieren kann.
- Gestaffelte Rückzahlungspflicht mit Ablauf der Bindungsfrist.
- Wie hat es der Arbeitnehmer in der Hand einer Rückzahlungspflicht zu entgehen.
Der Arbeitgeber finanziert somit die Fortbildung des Arbeitnehmers, der Arbeitnehmer verpflichtet sich im Gegenzug nach Abschluss der Fortbildung sich für eine gewisse Dauer an den Arbeitgeber zu binden. Die Bindungsdauer knüpft dabei regelmäßig an die Dauer der Fortbildung an. Je länger und teurer die Fortbildung, desto länger bindet sich der Arbeitnehmer im Anschluss an die Fortbildung. Kündigt der Arbeitnehmer (!) innerhalb der Bindungsdauer, ohne dass der Arbeitgeber die Kündigung zu vertreten hat, hat er dem Arbeitgeber anteilig die Fortbildungskosten zurückzubezahlen. So die – stark verkürzte – regelmäßige gelebte vertragliche Praxis.
Das BAG-Urteil im Einzelnen
Der Teufel liegt jedoch wie so oft im Detail. Das eingangs zitierte Urteil des Bundesarbeitsgerichts (im Folgenden „BAG“) vom 01.03.2022 – 9 AZR 260/21 zeigt es deutlich:
Geklagt hatte ein Arbeitgeber gegen seine ehemalige als Altenpflegerin beschäftigte Arbeitnehmerin, welche kurz nach der arbeitgeberfinanzierten Fortbildung innerhalb der Bindungsdauer ordentlich gekündigt hatte und sich nunmehr mit (anteiligen) Zahlungsansprüchen ihres Ex-Arbeitgebers konfrontiert sah. Vorinstanzlich wurde die Klage zweifach abgewiesen. Auch das BAG half dem Arbeitgeber schließlich nicht ab.
Das BAG sah in der dem Fortbildungsvertrag zugrundeliegenden Klausel, wonach die Arbeitnehmerin bei Eigenkündigungen innerhalb der Bindungsdauer (stets) die Fortbildungskosten anteilig zurückzahlen müsse, als unwirksam an, weil die Klausel die Arbeitnehmerin unangemessen benachteilige.
Die Unwirksamkeit der Klausel begründete das BAG im Wesentlichen damit, dass die Klausel keinerlei Differenzierung vornähme, sondern die Rückzahlungspflicht ausschließlich an die Eigenkündigungen (ordentlich und außerordentlich) der Arbeitnehmerin kopple.
Damit werde die Arbeitnehmerin aber benachteiligt, soweit der Grund ihrer Kündigung in der Sphäre des Arbeitgebers liege und dieser die Kündigung zumindest mitveranlasst habe.
Eine Benachteiligung der Arbeitnehmerin sei durch die Klausel auch insoweit zu sehen, als sie die Arbeitnehmerin im Ergebnis auch dann zur Rückzahlung verpflichte, wenn ihre Eigenkündigung infolge eines unverschuldeten dauerhaften Leistungshindernisses erfolge (zu denken ist hierbei z.B. an eine dauerhafte Berufsunfähigkeit der Arbeitnehmerin). Die Inanspruchnahme der Arbeitnehmerin auf Rückzahlung der Fortbildungskosten sei dann abzulehnen, da der Arbeitgeber unabhängig von einer Kündigung, die neugewonnen Fähigkeiten und Erkenntnisse der Arbeitnehmerin nicht mehr nutzen könne. In diesen Fällen, so das BAG, trage der Arbeitgeber das unternehmerische Risiko zuvor die Fortbildung bezahlt zu haben.
Folgen für die Praxis
Das Urteil bestätigt das bereits 2018 eingeleutete Ende der pauschalen vertraglichen Rückzahlungspflicht infolge Arbeitnehmerkündigungen. Es muss bei der vertraglichen Praxis differenziert werden, aus welcher Sphäre der Kündigungsgrund stammt. Außerdem muss der Arbeitnehmer von der Rückzahlungspflicht von Fortbildungskosten freigestellt werden, soweit der Arbeitgeber selbst kein Interesse mehr an den neugewonnenen Fähigkeiten des Arbeitnehmers hat, wie z.B. dauernden Leistungshindernissen. Es empfiehlt sich für Arbeitgeber daher – im Gegensatz zur früheren negativen Abgrenzung – die Rückzahlungspflicht in den Verträgen positiv zu formulieren, also konkrete Kündigungs-Konstellationen aufzuzählen, die aus der Sphäre des Arbeitnehmers stammen und somit eine Rückzahlungspflicht auslösen.
Für die Arbeitgeber stellt die Position ein Mehraufwand bei der vertraglichen Ausarbeitung dar und freilich auch ein wesentlich höheres Risiko, für die finanzierte Fortbildung nicht das gewünschte „return on investment“ zu bekommen.
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Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
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Rechtsanwalt Alexander Paulus