Schwierigkeiten einer ordentlichen krankheitsbedingten Kündigung eines Arbeitsverhältnisses

 

Häufig wird uns die Frage gestellt, ob der Arbeitgeber wegen Krankheit des Arbeitnehmers kündigen kann oder ob eine längerfristige Erkrankung des Arbeitnehmers den Arbeitgeber zur Kündigung berechtigt. Auch die Frage zu einer Kündigungsmöglichkeit bei häufigen Kurzzeiterkrankungen fällt hierunter.

 

Soweit das Kündigungsschutzgesetz Anwendung findet ist die Kündigungsmöglichkeit des Arbeitgebers wegen Erkrankung des Arbeitnehmers stark eingeschränkt.

 

Mit einem neuen Urteil hat das Bundesarbeitsgericht nunmehr erneut bestätigt, selbst eine längerfristige Erkrankung des Arbeitnehmers berechtigt nicht automatisch zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber.

 

In dem durch das Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall lag eine nicht unerhebliche Krankengeschichte des Arbeitnehmers zugrunde: Der Arbeitnehmer war im Jahr 2012 an 52 Tagen, im Jahr 2013 an 33 Tagen, im Jahr 2014 an 47 Tagen, in den Jahren 2015 und 2016 durchgehend, im Jahr 2017 an 112 Tagen und im Jahr 2018, bis zur Kündigung am 18.07.2018, wiederum durchgängig arbeitsunfähig krank.

 

Das Bundesarbeitsgericht verneinte einen personenbedingten Kündigungsgrund des Arbeitgebers und damit ein ordentliches Kündigungsrecht.

 

Eine auf krankheitsbedingte Fehlzeiten gestützte ordentliche Kündigung setzt zunächst eine negative Gesundheitsprognose voraus. Das bedeutet auf der ersten Stufe bei der Überprüfung der Wirksamkeit der Kündigung ist zu prüfen, ob im Kündigungszeitpunkt objektive Tatsachen vorliegen, die die Besorgnis weiterer Erkrankungen im bisherigen Umfang befürchten lassen. Auf Stufe zwei wird überprüft, ob die prognostizierten Fehlzeiten zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen des Arbeitgebers führen. In der dritten Stufe ist hiernach zu prüfen, ob die Beeinträchtigungen vom Arbeitgeber billigerweise nicht mehr hingenommen werden müssen Hierzu ist eine Interessenabwägung vorzunehmen.

 

Das Bundesarbeitsgericht hat zwar eine negative Gesundheitsprognose des Arbeitnehmers (Stufe 1) bejaht (mit einer Genesung in den kommenden 24 Monaten war nicht zu rechnen), eine erhebliche Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen (Stufe 2) jedoch verneint.

 

Für die Prognose der wirtschaftlichen Belastung des Arbeitgebers aufgrund künftiger krankheitsbedingter Ausfallzeiten des Arbeitsnehmers sind grundsätzlich allerdings unter Berücksichtigung des Einzelfalles ein vergangenheitsbezogener Referenzzeitraum von drei Jahren heranzuziehen. Es muss eine erhebliche künftige Beeinträchtigung des Austauschverhältnisses zwischen Arbeitsleistung und Vergütungsverpflichtung gegeben sein.

 

Für die Beurteilung der zu erwartenden wirtschaftlichen Belastungen werden die Entgeltfortzahlungszeiträume gemäß §§ 3, 4 EFZG im Referenzzeitraum (3 Jahre) betrachtet. Eine kündigungsrelevante wirtschaftliche Belastung des Arbeitgebers liegt -unter Vorbehalt der Interessenabwägung auf Stufe 3 – vor, wenn jährlich der Betrag, der gemäß §§ 3, 4 EFZG als Entgeltfortzahlung für sechs Wochen geschuldet ist, überschritten wird. Dies war vorliegend nicht gegeben.

 

In den Jahren 2015, 2016 und 2018 bestand keine Entgeltfortzahlungspflicht. Im Jahr 2017 leistete der Abreitgeber Entgeltfortzahlung in Höhe von € 11.434,00, wovon € 2.870,71 auf Arbeitsunfähigkeit infolge eines Sturzes beruhten. Das Bruttodurchschnittsgehalt belief sich auf € 4.858,12.

 

Mithin waren zulasten des Arbeitsnehmer Entgeltfortzahlungen für 2017 in Höhe von € 8.563,29 bei der Prüfung der wirtschaftlichen Belastung des Arbeitgebers zu berücksichtigen. Im Durchschnitt der letzten drei Jahre überschreitet dieser Betrag jedoch nicht die sechs-Wochen-Schwelle der Entgeltfortzahlung. Mithin fehlte es an der erheblichen Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Interessen des Arbeitgebers (Stufe 2).

 

 

Anders als Entgeltfortzahlungen sind Zuschüsse zum Krankengeld zulasten des Arbeitnehmers nicht zu berücksichtigen, da sie nicht auf einer gesetzlichen Verpflichtung beruhen (wie die Entgeltfortzahlung) sondern einen „freiwilligen“ Zuschuss des Arbeitgebers darstellen. Auch Leistungen, mit denen ausschließlich erbrachte und/oder künftig erwartete Betriebstreue und nicht nur eine bestimmte Arbeitsleistung honoriert werden soll, gehen nicht zu Lasten des Arbeitnehmers. Sondervergütungen gemäß § 4a EFZG stellen ebenfalls keine kündigungsrelevante wirtschaftliche Belastung des Arbeitgebers dar, da das Gesetz eine Kürzung dieser Leistungen infolge Krankheit ermöglicht. Schließt der Arbeitgeber diese Möglichkeit aus oder macht von ihr keinen Gebrauch, hat der Arbeitgeber das Risiko der unverminderten Zahlung zu tragen.

 

Diese Leistungen spiele daher bei der Beurteilung der zu erwartenden wirtschaftlichen Belastung keine Rolle.

 

 

Die Entscheidung zeigt wiederum den durch das Gesetz und die Rechtsprechung entwickelten starken Kündigungsschutz der Arbeitnehmer in Deutschland. Selbst eine im Kündigungszeitraum mittlerweile beinahe 6,5-jährige Krankengeschichte rechtfertigt keine krankheitsbedingte Kündigung des Arbeitnehmers.

 

 

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