Sozialrechtliche Abgrenzung beim Versicherungsvertreter

Das LSG Berlin-Brandenburg hat in einer aktuellen Entscheidung zur Sozialversicherungspflicht einen Handelsvertreter als Angestellten qualifiziert.

Was ist der Hintergrund des Streits?

Der Kläger hatte ein Statusfeststellungsverfahren angestrengt, um klären zu lassen, ob er gesetzlich versicherungspflichtig in der gesetzlichen Rentenversicherung war.

Wesentliche Teile des Vertragsinhalts mit dem Vermittler:

  • Vereinbarung einer Tätigkeit als selbstständiger Handelsvertreter iSd. §§ 84ff HGB
  • Aufgabe der Mitarbeiterschulung
  • Es ist dem Vermittler untersagt für einen Mitbewerber seines Unternehmens tätig zu werden, Nebentätigkeiten sind anzuzeigen
  • Der Vermittler muss sich bei seiner Vermittlungstätigkeit als Vermittler des Unternehmens ausweisen
  • Der Vermittler hat Geschäftsbriefe und Visitenkarten selbst zu beziehen und einheitlich für das Unternehmen zu verwenden
  • Der Vermittler hat keine Abschlussvollmacht und darf keinen Anschein einer Abschlussvollmacht erwecken
  • Der Vermittler darf keine Anzeigen, Druckstücke oder sonstigen Werbemaßnahmen im Namen des Unternehmens oder eigenen Namen für das Unternehmen schalten
  • Der Vermittler ist nicht befugt Untervermittler zu beschäftigen oder eigene Mitarbeiter einzustellen
  • Zusatzleistungen des Unternehmens
  • Zusatzvereinbarung über Grundprovision zu 10.000 DM / Monat

Die Gesamteinnahmen belaufen sich zwischen 1998 und 2001 nach folgendem Bild:

Jahr Einnahmen des Vermittlers
1998 127.018 DM
1999 148.126 DM
2000 205.555 DM
2001 141.831 DM
2002 39.273 EUR

 

Inhalt der Entscheidung des LSG Berlin-Brandenburg zur Abrenzung des Beschäftigten vom Selbstständigen

Gegen Arbeitsentgelt beschäftigte Personen unterliegen in den für das Verfahren streitigen Zeiträumen der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung. Beschäftigung ist nichtselbstständige Arbeit (vgl. § 7 Abs. 1 SGB IV), insb. in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte ergeben sich bei einer Tätigkeit nach Weisungen und einer Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers. Voraussetzung ist eine Abhängigkeit des Beschäftigten. Die Zuordnung erfolgt nach dem Gesamtbild des Einzelfalls unter Würdigung der als Indizien in Betracht kommenden Umstände, welche für die Abwägung individuell gewichtet und bewertet werden. Ausgangspunkt ist Vereinbarung zwischen den vertraglich gebundenen Parteien.

Für den Vertrag des Vermittlers wertete das Gericht:

  • Schwerpunkt der Tätigkeit des Vermittlers in der Mitarbeiterschulung und Teilnahme an Führungstreffen zur Mitwirkung an der Geschäftspolitik des Unternehmens, daneben Vermittlung von Versicherungsverträgen und anderen Geschäften aus dem klassischen Bereich der Versicherungsvermittlung
  • Ausübung der Tätigkeit in der Unternehmenszentrale, wenn nicht zur Mitarbeitergewinnung oder Schulung unterwegs
  • Keine freie Zeiteinteilung des Vermittlers
  • Bezahlter Urlaub von 30 Tagen in 1998
  • Grundprovision von 10.000 DM / Monat, zzgl. Übernahme von Umzugskosten
  • Der Vermittler durfte keinen Dritten zur Unterstützung einstellen

Folgen der bewerteten Punkte:

Die Anzeichen sprechen daher in diesem Fall sehr deutlich für einen angestellt Beschäftigten. Dem Vermittler waren Aufgaben konkret vorgegeben, insb. die Mitarbeiterschulung. Er konnte seine Zeit und Arbeitsleistung nicht frei einteilen und war weitgehend örtlich gebunden. Es wäre bei einem Selbstständigen ein eigenes unabhängiges Büro zu erwarten gewesen mit wesentlichen Freiheiten in der Zeiteinteilung. Arbeitnehmertypisch hatte der Vermittler ein weitreichendes Wettbewerbsverbot. Besonderes Gewicht bekam, dass der Vermittler kein nennenswertes unternehmerisches Risiko trug, da es an der Gefahr des Verlustes fehlte. Er bekam ein Fixum zu 10.000 DM / Monat. Dass der Vermittler in späteren Ergänzungen zur Vermittlung Hilfspersonen einschalten durfte, ändert an der Bewertung nichts. Auch eine Alterssicherung spricht für einen Angestellten.

Als irrelevant wurde bewertet, dass der Vermittler eigene andere Firmen führte. Auch konnten Klauseln zur Vermeidung und Umgehung der Bewertung als angestellt Beschäftigten nichts ändern. Schließlich sind die vertraglichen Beziehungen prägenden Vereinbarungen maßgeblich und wie diese letztlich gelebt werden.

 

Besonders hervorgehoben hat das Gericht die grundlagensichernde Vergütung mit einem erheblichen Fixgehalt, mit der Lebensunterhalt bestritten werden kann.

Bedeutung für die Praxis:

Das Gericht hat nicht grundlegende neue Punkte festgehalten. Die Entscheidung zeigt deutlich die Problemstellungen bei der Gestaltung von Handelsvertreterverträgen und der Prüfung der Scheinselbstständigkeit auf. Dieses stellt sich nicht nur bei einer erheblichen Grundvergütung zur Existenzsicherung des Vermittlers.