Telekommunikation- Strukturvertrieb: Welche Vertragsarten liegen vor?

Die Distribution im Telekommunikationsvertrieb ist, wie häufig auch in anderen Branchen, mehrstufig aufgebaut. Es hat also ein Vertragspartner einen Vertrag mit einem oder mehreren Telekommunikationsunternehmen. Der Vertragspartner hat wiederum einen Vertrag mit in der Regel mehreren Vertragspartnern. Diese wiederum arbeiten oft mit weiteren freien Mitarbeitern zusammen. Natürlich kann auch noch die ein oder andere Ebene mehr eingezogen sein.

 

Wichtig zu wissen ist nun, dass bei der Frage, wie die Vertragsverhältnisse rechtlich zu qualifizieren sind, immer auf die jeweilige Stufe abzustellen ist. Es kann also gut sein, dass ein Telekommunikationsunternehmen mit mehreren Vertragspartnern rechtlich gesehen Maklerverträge unterhält, der eine Makler mit seinem in der Struktur nachfolgenden Vertragspartner aber einen Handelsvertretervertrag unterhält, der andere einen Untermaklervertrag mit dem seinen. Auch kann in der ersten Stufe ein Handelsvertretervertrag vorliegen, in der nächsten dann ein Maklervertrag oder ein Unterhandelsvertretervertrag. Es ist also gerade nicht so, dass der „erstere“ Vertrag führt und die anderen bestimmt.

 

Für die Frage, welche Rechte sich aus dem jeweiligen Vertragsverhältnis ableiten lassen, ist die Qualifikation der Verträge von entscheidender Bedeutung. Der Handelsvertreter ist durch das Handelsgesetzbuch (§§ 84 ff. HGB) weitaus umfangreicher geregelt und geschützt als etwa der Makler. Der Franchisenehmer wird oft über das Handelsvertreterrecht analog behandelt, wobei vieles, was Franchise genannt wird, rechtlich gesehen ein Handelsvertreterverhältnis ist. Hier gilt der Grundsatz „falsa demonstratio non nocet“, übersetzt „Fehlbezeichnung schadet nicht“ oder etwas ausführlicher: Es kommt nicht auf die Bezeichnung, sondern den tatsächlichen rechtlichen Kern an. Wie oft sprechen wir von Leihe (unentgeltlich) und meinen eigentlich Miete (entgeltlich)?

 

Das ganz zentrale Abgrenzungskriterium, ob es sich um einen Handelsvertretervertrag handelt, findet sich in § 84 I Satz 1 HGB. Dort heißt es:

„Handelsvertreter ist, wer als selbständiger Gewerbetreibender ständig damit betraut ist, für einen anderen Unternehmer Geschäfte zu vermitteln oder in dessen Namen abzuschließen“

 

Dieser Satz wird von ganzen Bänden an Rechtsprechung ausgefüllt und konkretisiert. Wichtigstes Kriterium ist, ob eine ständige Tätigkeitspflicht besteht, dann Handelsvertreter oder nur ein Recht, dann Makler. Ausschlaggebend ist dafür nicht nur, was im Vertrag und allen seinen Anhängen geregelt ist, sondern auch, wie das Vertragsverhältnis tatsächlich gelebt wurde.

 

Nun gibt es in letzter Zeit einige Entscheidungen von Gerichten, die leider nur sehr oberflächlich und sehr am Vertragstext orientiert geprüft haben und zu der Entscheidung kamen, es läge kein Handelsvertretervertrag vor. Wichtig ist daher zuvorderst, dass der Vertriebspartner und seine Rechtsvertretung umfangreich vortragen. Denn nur dann kann sich das Gericht ein umfassendes Bild machen. Dazu gehört:

  • Steht im Vertrag oder einem Nebenvertrag eine Tätigkeitsverpflichtung?
  • Gibt es ein Wettbewerbsverbot für den Vertriebspartner?
  • Gibt es einen Gebiets- oder Kundenschutz?
  • Gibt es umsatzabhängige Vergütungen, ohne die der Vertrieb nicht rentabel wäre; dann haben wir faktisch auch eine Tätigkeitspflicht.
  • Gibt es Sanktionen, wenn die Umsatzzahlen nicht stimmen?
  • Wie weit sind die Weisungen gegenüber dem Vertriebspartner geregelt und gelebt worden?
  • Wer rechnet ab? Denn der Makler rechnet in aller Regel selbst ab, weil er die Geschäftsdaten kennt.
  • Wer hat die Kundendaten und wer darf sie behalten.

 

Diese Auflistung ist nicht abschließend, soll aber zeigen, welche Themen wichtig sind. Nur über die Qualifikation als Handelsvertreter kommt der Vertriebspartner in den Genuss wichtiger Rechte, wie dem Recht auf Buchauszugsanspruch, Handelsvertreterausgleichsanspruch, längere Kündigungsfristen, Schutz vor unberechtigten Storni und vieles mehr.