Darlegungs- und Beweislast für Überstundenvergütung

Es war der Aufreger im September 2022, die Feststellung des Bundesarbeitsgerichts, dass die Arbeitgeber eine Verpflichtung zur Arbeitszeiterfassung trifft (vgl. Beitrag „Pflicht zur Arbeitszeiterfassung“ vom 28.09.2022, https://www.heinicke-eggebrecht.com/pflicht-zur-arbeitszeiterfassung/). Dies Entscheidung führt nun dazu, dass in vielen Bereichen des Arbeitsrechts insbesondere in Verbindung mit Arbeitszeiten Unsicherheiten auftreten.

 

Vor diesem Hintergrund möchten wir die Darlegungs- und Beweislast für einen Anspruch auf Überstundenvergütung näher beleuchten, die zuletzt auch das Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung vom 04.05.2022 beschäftigte. Das Bundesarbeitsgericht hat in seiner Entscheidung dabei bereits die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes mit Verpflichtung zur Arbeitszeiterfassung (vgl. Beitrag „Pflicht zur Arbeitszeiterfassung“ vom 28.09.2022, https://www.heinicke-eggebrecht.com/pflicht-zur-arbeitszeiterfassung/) berücksichtigt.

 

Trotz der Verpflichtung des Arbeitsgebers zur Arbeitszeiterfassung resultiert hieraus nicht automatisch ein Anspruch auf Überstundenvergütung. Vielmehr bleibt es, wie bisher, dass die Darlegungs- und Beweislast betreffend die Überstunden beim Arbeitnehmer verbleibt.

 

Ein Anspruch auf Überstundenvergütung kann auf § 611a Abs. 2 BGB (bzw. bis 31.03.2017 § 611 Abs 1 BGB a.F.) oder § 612 Abs. 1 BGB gestützt werden. Voraussetzung für die erfolgreiche Geltendmachung des Überstundenvergütungsanspruchs ist allerdings, dass der Arbeitnehmer den Umfang der geleisteten Überstunden ggf. anhand der vom Arbeitgeber geführten Arbeitszeiterfassung nachweisen kann, sowie deren Veranlassung durch den Arbeitgeber.

 

Es ergibt sich mithin folgendes gestuftes Darlegungs- und Beweislast-Schema:

 

1. Der Arbeitnehmer muss darlegen und – im Bestreitensfall- beweisen, dass er Arbeit in einem die Normalarbeitszeit übersteigenden zeitlichen Umfang verrichtet hat.

Der Darlegungslast genügt der Arbeitnehmer grundsätzlich, wenn er schriftsätzlich vorträgt, an welchen Tagen er von wann bis wann Arbeit geleistet oder sich auf Weisung des Arbeitgebers zur Arbeit bereit gehalten hat.

 

2. Hierauf muss der Arbeitgeber erwidern und im Einzelnen vortragen, welche Arbeiten er dem Arbeitnehmer zugewiesen hat und an welchen Tagen der Arbeitnehmer von wann bis wann diesen Weisungen – nicht – nachgekommen ist.

 

3. Der Arbeitnehmer muss darlegen, dass der Arbeitgeber die Überstunden veranlasst hat.

Denn der Arbeitgeber ist nach § 611a Abs.2 BGB nur zur Vergütung der vereinbarten Vergütung für die vereinbarte Arbeitsleistung verpflichtet. Damit betrifft die Entgeltzahlungspflicht des Arbeitsgerbers zunächst nur die Vergütung der vereinbarten Arbeitszeit. Zur Vergütung einer die Normalarbeitszeit übersteigenden zeitlichen Umfang, ist der Arbeitgeber nur verpflichtet, wenn er die Leistung von Überstunden veranlasst oder sie ihm zumindest zuzurechnen ist. Für die arbeitgeberseitige Veranlassung und Zurechnung als Überstunden und einen Anspruch auf Vergütung, müssen die Überstunden vom Arbeitgeber angeordnet, gebilligt, geduldet oder jedenfalls zur Erledigung der geschuldeten Arbeit notwendig sein. Hierzu ist der Arbeitnehmer darlegungs- und beweisbelastet.

 

a) Der Arbeitnehmer muss also vortragen, wer wann auf welche Weise wie viele Überstunden angeordnet hat.

 

b) Konkludent ordnet der Arbeitgeber Überstunden an, wenn er dem Arbeitnehmer Arbeit in einem Umfang zuweist, die unter Ausschöpfung der persönlichen Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers nur durch die Leistung von Überstunden zu bewältigen ist.

Dazu muss der Arbeitnehmer darlegen, dass eine bestimmt angewiesene Arbeit innerhalb der Normalarbeitszeit nicht zu leisten war oder ihm zur Erledigung der aufgetragenen Arbeiten ein bestimmter Zeitrahmen vorgegeben war, der nur durch Leistung von Überstunden eingehalten werden konnte.

Die Anwesenheit im Betrieb reicht zur Begründung der Vermutung, Überstunden seien zur Erbringung der geschuldeten Arbeit notwendig gewesen, nicht aus

 

c) Mit der Billigung von Überstunden ersetzt der Arbeitgeber durch eine nachträgliche Genehmigung die fehlende vorherige Anordnung schon geleisteter Überstunden.

Der Arbeitgeber muss zu erkennen geben, dass er mit der schon erfolgten Leistung von Überstunden einverstanden ist. Eine Billigung kann anzunehmen sein, wenn der Arbeitgeber oder ein für ihn handelnder Vorgesetzter des Arbeitnehmers eine bestimmte Anzahl von Stunden abzeichnet und damit sein Einverständnis mit einer Überstundenleistung ausdrückt.

Die widerspruchslose Entgegennahme der vom Arbeitnehmer gefertigten Arbeitszeitaufzeichnungen reicht hierzu nicht aus.

 

d) Die Duldung von Überstunden bedeutet, dass der Arbeitgeber in Kenntnis der Überstundenleistungen diese hinnimmt und keine Vorkehrungen trifft, die Leistung von Überstunden künftig zu unterbinden, er also gegen die Leistung von Überstunden nicht einschreitet, sie vielmehr weiter entgegennimmt.

Dazu muss der Arbeitnehmer darlegen, von welchen wann geleisteten Überstunden der Arbeitgeber auf welche Weise wann Kenntnis erlangt haben soll und es im Anschluss daran zu einer weiteren Überstundenleistung gekommen ist.

Allein die Aufzeichnung der Komm- und Gehzeiten des Arbeitnehmers begründen keine Kenntnis des Arbeitgebers von einer bestimmten Überstundenleistung. Hierzu benötigt es den zusätzlichen Hinweis auf eine Überstundenleistung seitens des Arbeitnehmers.

 

Es ist also nicht ganz einfach, einen Anspruch auf Überstundenvergütung durchzusetzen. Dies hat sich durch die Verpflichtung zur Arbeitszeiterfassung durch den Arbeitgeber nicht geändert. Es gibt keinen allgemeinen Rechtsgrundsatz, dass jede (Mehr-)Leistung zu vergüten ist, weil dem Arbeitgeber dann Mehrleistung aufgedrängt werden könnte.

 

Die Regelungen der Arbeitszeitrichtlinie beschränken sich darauf, den Schutz der Sicherheit und der Gesundheit des Arbeitnehmers zu gewährleisten und finden keine Anwendung auf die Vergütung des Arbeitnehmers. Es gilt von jeher, dass derjenige, der von einem anderen etwas fordert, die seinen Anspruch begründenden Tatsachen darlegen und im Streitfall beweisen muss.

 

Stellt ein Arbeitnehmer fest, dass er unbezahlte Überstunden leisten muss, gebietet es, so das Bundesarbeitsgericht, schon die Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten, sich als Arbeitnehmer Aufzeichnungen über die geleisteten Arbeitszeiten zu machen. So kann der Arbeitnehmer aus eigener Wahrnehmung vortragen, auf welche Art und Weise der Arbeitgeber die entstandenen Überstunden veranlasst hat. Macht er dies nicht und kommt er so seiner Darlegungs- und Beweislast nicht nach, ist dies vom Arbeitnehmer selbst verschuldet.

 

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