Analogievoraussetzungen für den Ausgleichsanspruch eines Vertragshändlers

 

Der Handelsvertreterausgleichsanspruch nach § 89b HGB steht, wie der Name schon sagt, grundsätzlich nur dem Handelsvertreter gem. §§ 84 ff. HGB zu. In der Rechtsprechung wurden in den vergangenen Jahrzehnten allerdings Voraussetzungen entwickelt, wonach auch einem Vertragshändler ein solcher Ausgleichsanspruch analog zustehen soll.

 

Danach ist § 89b HGB auf einen Vertragshändler analog anzuwenden, wenn

 

  • zwischen ihm und dem Hersteller oder Lieferanten ein Rechtsverhältnis besteht, das sich nicht in einer bloßen Käufer-Verkäufer-Beziehung erschöpft, sondern der Vertragshändler aufgrund vertraglicher Abmachungen so in die Absatzorganisation des Herstellers oder Lieferanten eingegliedert ist, dass er in erheblichem Umfang dem Handelsvertreter vergleichbare Aufgaben zu erfüllen hat („Eingliederung in fremde Absatzorganisation“) und

 

  • er verpflichtet ist, bei Vertragsbeendigung dem Hersteller oder Lieferanten seinen Kundenstamm zu überlassen, so dass dieser sich Vorteile des Kundenstamms ohne weiteres nutzbar machen kann („Überlassung des Kundenstamms“)

 

Im Hinblick auf die Eingliederung in eine fremde Absatzorganisation soll dabei maßgeblich sein, dass sich der Vertragshändler für den Vertrieb der Erzeugnisse des Herstellers wie ein Handelsvertreter einzusetzen hat und Bindungen unterliegt, wie sie für einen Handelsvertreter typisch sind. Entscheidend ist, ob der Vertragshändler mit der Übernahme der Vertragspflichten sich eines bedeutenden Teils seiner unternehmerischen Freiheit begeben hat. Ob und inwieweit dies bei den jeweils zugrunde liegenden vertraglichen Abmachungen der Fall ist, ist dabei durch Abwägung im Einzelfall zu ermitteln.

 

Hinsichtlich der Überlassung des Kundenstamms ist festzuhalten, dass es explizit einer vertraglichen Pflicht hierzu bedarf, wobei eine entsprechende Pflicht auch konkludent erfolgen kann.

 

In einer Entscheidung des OLG München vom 05.12.2019, Az.: 23 U 2136/18 wurden diese beiden feststehenden Analogievoraussetzungen einmal mehr bestätigt und zusätzlich, bezogen auf die dort zugrunde liegenden Umstände, noch festgehalten:

 

  • Es spreche gegen eine Eingliederung in die Absatzorganisation, wenn der Vertragshändler bei der Setzung seiner Umsatzziele und Vermarktung seiner Produkte im Wesentlichen frei sei, sowie wenn der Vertragshändler im Hinblick auf die erworbenen Produkte nicht bloß als reiner Weiterverkäufer auftritt, sondern auch als Produzent, indem er die erworbenen Produkte etwa in eigene Produkte einbaut, bevor er sie weiterverkauft, oder diese vor dem Weiterverkauf anderweitig umgestaltet. Die Tätigkeit sei in diesem Fall nicht nur die eines Händlers gewesen, was gegen eine mit einem Handelsvertreter vergleichbare Stellung spreche.

 

  • Auch wenn eine Übermittlung von Kundendaten erfolgt sei, fehle es an der Analogievoraussetzung, wenn hierzu keine vertragliche Pflicht bestanden habe. Von einer fehlenden vertraglichen Pflicht sei auch dann auszugehen, wenn der Vertragshändler ein entsprechendes Ansinnen des Herstellers oder Lieferanten hätte ablehnen können, ohne sich damit vertragswidrig zu verhalten. Hierzu würde etwa auch der Fall zählen, dass im Falle der Ablehnung der Überlassung vom Vertragshändler keine weiteren Rabatte mehr hätten erzielt werden können. Zwar sei eine Überlassung der Kundendaten vom Vertragshändler an den Hersteller oder Lieferanten dann wichtig, wenn andernfalls keine Rabatte mehr gewährt würden. Eine vertragliche Pflicht des Vertragshändlers zur Überlassung bzw. ein vertraglicher Anspruch des Herstellers oder Lieferanten auf Überlassung folge daraus aber nicht, da eine Überlassung auch hätte abgelehnt werden können.

 

Die Bewertung, ob und inwieweit beim Vertragshändler die Analogievoraussetzungen für einen Handelsvertreterausgleich nach § 89b HGB vorliegen oder nicht, ist oftmals schwierig und bedarf einer einzelfalbezogenen Betrachtung der vorliegenden Umstände. Wir stehen hier gerne mit unserer rechtlichen Expertise zur Verfügung.