Kein Ausschluss des Versorgungsausgleichs trotz längerem Getrenntleben

Der Versorgungsausgleich dient dem Ziel der Eheleute zu einer gleichmäßigen sozialen Sicherheit der Ehegatten im Alter oder bei einer möglichen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit beizutragen. Daher kommt es auch nach dem neuen Versorgungsausgleichsrecht bei Scheidung nicht mehr darauf an, wer während der Ehe mehr Anwartschaften in den gesetzlichen, betrieblichen oder privaten Versicherungen erwirtschaftet hat. Vielmehr werden grundsätzlich sämtliche während der Ehezeit erworbenen Anwartschaften hälftig geteilt.

 

Bei kurzer Ehedauer bis zu 3 Jahren wird ein Versorgungsausgleich dagegen nur durchgeführt, wenn einer der Ehegatten dies verlangt, § 3 Abs. 3 VersAusglG.

 

Im Übrigen ist grundsätzlich ein Versorgungsausgleich durchzuführen, es sei denn ehevertraglich oder im Rahmen der Scheidungsfolgenvereinbarung ist etwas anderes vereinbart, oder es liegt ein Ausschlussgrund gemäß § 27 VersAusglG vor.

 

Um den Ausschluss zu rechtfertigen, muss ein Ausgleich der während der Ehe erworbenen Anwartschaften grob unbillig sein und eine Gesamtschau der Umstände des Einzelfalles die Halbteilung nicht rechtfertigen. Dies ist insbesondere in Fällen denkbar, wenn der Versorgungsausgleich zu einem erheblichen wirtschaftlichen Ungleichgewicht zu Lasten des Ausgleichspflichtigen führen würde, z. B. wenn zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Versorgungsausgleich klar abzusehen ist, dass der Ausgleichsberechtigte bei Erreichen der Altersgrenze über eine im Verhältnis zum Ausgleichspflichtigen unverhältnismäßig hohe Altersversorgung verfügen wird oder bereits anderweitig angemessen abgesichert ist, während der Ausgleichspflichtige auf die von ihm in der Ehezeit erworbenen Anwartschaften zur Sicherung seines Unterhalts dringend angewiesen ist

 

Durch die Härteklausel sollen weiterhin wirtschaftlich fragwürdige Ergebnisse verhindert werden, welche mit der bisherigen und fortwirkenden Versorgungsgemeinschaft der geschiedenen Ehegatten nicht zu rechtfertigen sind und welche der Gerechtigkeit in unerträglicher Weise widersprechen. In die erforderliche Gesamtabwägung sind sämtliche Lebensumstände der Ehegatten einzubeziehen, die für ihren gegenwärtigen oder zukünftigen wirtschaftlichen Stand von Bedeutung sind.

 

Einer der häufigsten hierbei herangezogenen Gründe, um eine Halbteilung der Versorgungsanwartschaften während der Ehe zu vermeiden, ist der Vortrag des „längeren“ Getrenntlebens, wobei jedermann unter dem Begriff des „längeren Getrenntlebens“ etwas anderes versteht.

 

Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hat in seinem Beschluss vom 22.11.2021 einen Ausschluss und Verkürzung des Versorgungsausgleichs trotz längerem Getrenntleben abgelehnt.

 

Im entschiedenen Fall waren die Eheleute 35 Jahre verheiratet. Hiervon bestand 24 Jahre eine eheliche Gemeinschaft und eine Trennungsdauer vor Scheidung von 11 Jahren. Die Trennungszeit machte also 1/3 der Ehezeit aus.

 

Allerdings war nach der Auffassung des Oberlandesgerichtes trotz Trennung die Versorgungsgemeinschaft lange Jahre noch nicht aufgehoben, da die Eheleute u.a. noch acht Jahre gemeinsam zur Steuer veranlagt wurden. Die gemeinsame Veranlagung von Ehegatten ist nach den Steuergesetzen allerdings nur bis zum Ablauf des ersten Trennungsjahres zulässig. Hinzu kommt, dass sich die Eheleute mit der Zusammenveranlagung Splittingvorteile verschafft und als Gesamtschuldner für ihrer Steuerschulden hafteten. Mithin lag nach der Auffassung des Oberlandesgerichtes in dieser Zeit noch eine Versorgungsgemeinschaft vor und damit keine Rechtfertigung den Versorgungsausgleich frühzeitig zu begrenzen.

 

Es zeigt sich, etwas „Banales“ wie die gemeinsame Veranlagung zur Steuer kann dazu führen, dass auch nach längerer Trennung von vorliegend 11 Jahren von einer Versorgungsgemeinschaft ausgegangen wird und damit auch eine Teilung der Versorgungsanwartschaften während der gesamten Trennungszeit gerechtfertigt ist. Dies kann durchaus eine ungewollte Aufteilung der Rentenanwartschaften mit sich bringen.

 

Um dies zu vermeiden, empfehlen wir dringend eine Regelung zum Versorgungsausgleich, wenn eine Scheidung trotz Trennung nicht angestrebt oder vollzogen wird. Hierzu reicht eine einfach vertragliche Regelung nicht aus. Vielmehr sollte dies im Rahmen eines notariellen Vertrages erfolgen. Wir beraten sie hierzu gerne. Schreiben Sie uns gerne eine Email über kanzlei@heinicke-eggebrecht.de oder rufen Sie uns an unter +49(0)89 552261-0.