Neben der Frage der Ersatzansprüche aus der Betriebsschließungsversicherung (hierzu haben wir mehrmals berichtet) hat die Corona-Pandemie im Bereich der Reiseabbrüche die Versicherungsbranche gut beschäftigt. Viele Reisende konnten ihre Reisen nicht antreten, oder mussten diese unverhofft abbrechen – alles nur wegen Corona.
Das Amtsgericht München hat zu einem coronabedingten Reiseabbruch am 20.05.2021 (Az.: 275 C 23753/20) eine interessante Entscheidung gefällt.
Der Versicherungsnehmer (VN) hatte eine Reiserücktrittsversicherung samt Reiseabbruchversicherung abgeschlossen. Die maßgebliche Klausel für Kostenerstattung lautete:
„§ 4 Was erstatten wir bei Naturkatastrophe?
Wenn Sie wegen einer Naturkatastrophe am Urlaubsort (zum Beispiel Lawinen, Erdbeben) die Reise nicht planmäßig beenden können: Wir übernehmen die notwendigen Mehrkosten für Unterkunft, Verpflegung und Rückreise. Wir erstatten entsprechend der ursprünglich gebuchten Art und Qualität maximal € 2.000,- je versicherter Person und Versicherungsfall.“
Mit dieser Versicherung ausgestattet, reiste der VN mit seiner Begleitung nach Sri Lanka. Aufgrund durch das Coronavirus hervorgerufene Reisebeschränkungen wurde der Rückflug nach Deutschland am 24.03.2020 annulliert. Der VN musste dann auf eigene Kosten über Zürich zurückreisen, es entstanden Mehrkosten von € 3.610,-.
Die Regulierung dieser Mehrkosten lehnte die Versicherung ab, da sie der Meinung war, dass Pandemien nicht versichert sind und auch keine Naturkatastrophen im Sinne des § 4 der AVB darstellen.
Das Amtsgericht München gab der Versicherung recht.
Die Coronapandemie ist aus Sicht des Gerichts keine typische Naturkatastrophe, da sie keine unmittelbaren physischen Auswirkungen habe und nur lokal und zeitlich begrenzt auftrete. Die Auswirkungen auf die Umwelt und das öffentliche Leben treten vermittelt durch staatliche Schutzmaßnahmen ein, also politische Akte und nicht die Natur selbst. Bei Auswirkungen durch staatliche Maßnahmen liege aber begrifflich keine Naturkatastrophe vor.
Die staatlichen Schutzmaßnahmen können hierbei weltweit unterschiedlich ausfallen, da sie unterschiedlichen Ansätzen folgen. So gibt es in verschiedenen Ländern unterschiedliche Schutzkonzepte bedingt durch unterschiedliche Infektionszahlen und damit auch unterschiedliche Auswirkungen auf das öffentliche Leben.
Hingegen kennzeichnend für eine Naturkatastrophe ist es, dass sie an jedem Ort die gleichen Auswirkungen habe. Ebenso sei ein Unterschied zwischen der Coronapandemie und einer Naturkatastrophe in zeitlicher Hinsicht festzustellen. Eine Naturkatastrophe stellt typischerweise nur eine zeitlich begrenzte Gefahrenquelle dar von maximal einigen Wochen. Die Coronapandemie dagegen stelle und wird eine Gefahrenquelle auch aufgrund der dezentralen Entwicklung für einen vielfältig längeren Zeitraum darstellen.
Insoweit sei nach Ansicht des Amtsgerichts München eine Vergleichbarkeit zwischen der Coronapandemie und einer Naturkatastrophe nicht gegeben.
Das Urteil ist vor dem Hintergrund der Abgrenzungsfrage zur Naturkatastrophe hin nachvollziehbar und sorgt für Rechtsklarheit und Rechtssicherheit. Aufgrund der unterschiedlichen Infektionszahlen und der unterschiedlichen Schutzmaßnahmen stellt sich die Frage, wann der Grad einer Naturkatastrophe erreicht wäre und wann nicht. Dies führte dazu, dass aufgrund der unterschiedlichen lokalen Entwicklungen der Infektionszahlen das Geschehen mal so und mal so einzustufen wäre, was zur flächendeckenden Rechtsunsicherheit führen würde. Auch wenn sich die Auswirkungen für den einzelnen wie im Falle einer Naturkatastrophe anfühlen dürften, ist es korrekt die Coronapandemie eben nicht als Naturkatastrophe im Sinne der Versicherungsbedingungen einzustufen.
Es ist daher bei Reiseantritten auf eine konkrete Absicherung der coronabedingten Folgen zu achten. Mit der gängigen Reiserücktrittsversicherung ist es nicht getan!
Ihr Ansprechpartner:
Rechtsanwalt René Simonides