Sind die Grundrentenentgeltpunkte im Rahmen des Versorgungsausgleichs bei Scheidung auszugleichen?

Zum 01.01.2021 wurde der Anspruch auf Grundrente eingeführt. Damit wird ein Zuschlag und eine Rente aus dem Zuschlag demjenigen gewährt, der mit der von ihm geleisteten Arbeit ohne den Zuschlag keine angemessene Absicherung im Alter erzielt, wobei die Auszahlung von der tatsächlich geleisteten Rentenzahlung und dem Einkommen abhängt. Es handelt sich daher in jedem Fall um eine Einzelfallentscheidung, weswegen die entsprechenden Rentenbescheide auch jeweils betreffend den Zuschlag für die Grundrente nur ein Jahr Gültigkeit entfalten.

 

Auch für Grundrente werden Entgeltpunkte bei der Deutschen Rentenversicherung erworben. Wir beschäftigen uns daher in diesem Beitrag damit, ob und wie die Grundrentenentgeltpunkte im Rahmen des Versorgungsausgleichs aufzuteilen sind.

 

Der Versorgungsausgleich ist der Ausgleich der während der Ehezeit erworbenen Rentenanwartschaften. Anders als die „normalen“ Entgeltpunkte in der Deutschen Rentenversicherung, die durch Erwerbstätigkeit oder Kindererziehungszeiten angesammelt werden, sind die Grundrentenentgeltpunkte als eine Aufstockung zu bewerten, die nur bei Unterschreitung einer Mindestabsicherung für das Alter trotz rentenrechtlicher Zeiten von mindestens 33 Jahren erzielt werden, zu einem Zuschlag zur Rentenleistung führen. Es kann also sein, dass Entgeltpunkte für die Grundrente erwirtschaftet werden, die „normalen“ Entgeltpunkte jedoch dann das Mindestmaß für die Absicherung im Alter (ggf. auch aufgrund weiterer Einkünfte beispielsweise aus Betriebsrente oder privater Rente) erreicht, sodass die Grundrentenentgeltpunkte tatsächlich nicht zur Auszahlung gelangen.

 

Grundsätzlich werden alle während der Ehezeit erworbenen Rentenanwartschaften und damit Entgeltpunkte bei Scheidung geteilt und dem anderen Ehegatten auf seinem Rentenkonto gutgeschrieben. In Bezug auf die „Entgeltpunkte für langjährige Versicherung“ gab es bisher noch kaum obergerichtliche Rechtsprechung. Dies hat sich nunmehr aufgrund dreier Entscheidung von Oberlandesgerichten (Nürnberg, Braunschweig, Frankfurt am Main) geändert, wobei eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes noch aussteht. Diese wird dringend notwendig, sein, weil noch Uneinigkeit besteht, ob die „Entgeltpunkte aus langjähriger Versicherung bzw. Grundrentenentgeltpunkte“ im Rahmen des Versorgungsausgleichs ausgleichspflichtig sind. Die Rechtsprechung geht hierbei auseinander, auch wenn im Ergebnis bisher alle Gerichte (nach unserem Kenntnistand) tatsächlich keinen Ausgleich vorgenommen haben.

 

Die Grundrente ist ein Zuschlag an Entgeltpunkten, der entsteht, wenn mindestens 33 Grundrentenzeiten vorhanden sind und sich aus den Kalendermonaten mit Grundrentenbewertungszeiten ein Durchschnittswert an Entgeltpunkten ergibt, der unter gewissen, gesetzlich vorgeschriebenen Höchstwerten liegt.

 

Das Oberlandesgericht Nürnberg (Beschluss vom 06.05.20221) und Oberlandesgericht Braunschweig (Beschluss vom 30.05.2022) sind der Rechtsaufassung, dass neben den Anrechten aus der Deutschen Rentenversicherung auch die „Entgeltpunkte für langjährige Versicherung“ auf das Versicherungskonto bei der Deutschen Rentenversicherung jeweils zum Ende der Ehezeit zu übertragen sind. Sie dürfen nicht zusammengerechnet werden, sondern sind als zwei Anwartschaften zu übertragen, und erhöhen damit auch den Verfahrenswert des Versorgungsausgleichs. Auch Anwartschaften aus den neuen Bundesländern müssen insoweit gesondert von den Anwartschaften der alten Bundesländer ausgewiesen werden. Man geht also bei beiden Gerichten von einer Ausgleichspflicht im Rahmen des Versorgungsausgleichs aus.

 

Trotzdem wurde in den Fällen des Oberlandesgerichts Nürnberg und des Oberlandesgerichts Braunschweig tatsächlich kein Ausgleich vorgenommen, weil die Geringfügigkeitsschwelle des Anrechts gemäß § 18 Abs. 2, Abs. 3 VersAugslG nicht überschritten war.

 

Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (Beschluss vom 21.07.2022) dagegen ist der Rechtsausfassung, dass die die Entgeltpunkte für langjährig Versicherte (Grundrente) nicht auszugleichen ist. Dies stützt das Gericht darauf, dass zum einen die Voraussetzungen des § 2 Abs 2 VersAusglG nicht erfüllt sind und darüber hinaus auch die Gesamtinteressenabwägung unter Berücksichtigung der Ausgestaltung der Rechtsgrundlage in §§ 76 g, 97 a SGB VI gegen den Ausgleich sprechen. Damit weicht das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (wie es selbst feststellt) zwar von der Gesetzesbegründung zu § 76 g SGB VI ab, in der von einem Ausgleich des Anrechts im Versorgungsausgleichs ausgegangen wurde, begründet dies jedoch damit, das der Zuschlag einerseits und die Rente aus dem Zuschlag (Grundrente) andererseits nur gewährt werden, wenn die geleistete Arbeit ohne den Zuschlag zu einer nicht angemessenen Absicherung im Alter führt, die durch den Zuschlag kompensiert werden soll. Damit kommt das Oberlandesgericht Frankfurt am Main dazu, das die „Entgeltpunkte für langjährige Versicherung“ gemäß §§ 76 g, 97 a SGB VI nicht als auszugleichende Anrechte im Rahmen des Versorgungsausgleichs anzusehen sind.

 

Fazit:

Alle Obergerichte haben einen Versorgungsausgleich im Ergebnis abgelehnt. Während die Oberlandesgerichte Nürnberg und Braunschweig jedoch von einer Ausgleichspflicht der Grundrentenentgeltpunkten ausgehen und den Ausgleich bisher nur wegen Unterschreitens der Geringwertigkeitsschwelle des § 18 Abs. 2, Abs. 3 VersAusglG abgelehnt haben, lehnt das Oberlandesgericht Frankfurt am Main einen Versorgungsausgleich der Grundrentenentgeltpunkte von vornherein ab. Es bleibt abzuwarten, wie ein Obergericht entscheidet, wenn die Geringwertigkeitsschwelle ausnahmsweise nicht greifen wird.

 

Die Gerichte sind sich jedoch zumindest dahingehend einig, dass die „Entgeltpunkte für langjährige Versicherung“ sowohl in der Auskunft der Deutschen Rentenversicherung, wie auch im Versorgungsausgleich gesondert von den „normalen“ Entgeltpunkten ausgewiesen werden müssen und Grundrentenentgeltpunkte nicht mit den übrigen Entgeltpunkten zusammengerechnet werden dürfen, da diese wegen der Einkommensanrechnung gemäß § 97 a SGB VI nicht generell zu einer Rentenleistung führen.

 

Alle drei Obergerichte hatten die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof zugelassen. Bedauerlicherweise wurde sie in keinem der drei Fälle eingelegt. Daher werden wir auf eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes und eine endgültige Klärung noch etwas warten müssen.

 

Wir werden diesbezüglich wieder berichten.

 

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