Umgangsrecht und elterliche Sorge während der Coronapandemie

Der Herbst und Winter stehen an, und wir wissen nicht mit welchen Verordnungen und Gesetzen die Regierung uns im Hinblick auf die Coronapandemie und damit voraussichtlich einhergehenden steigenden Coronazahlen in diesem Herbst/Winter überraschen wird.

 

Die letzten 2,5 Jahre haben aber im Hinblick auf Lockdown und Quarantäne einige Neuerungen in der Rechtsprechung der Familiengerichte mit sich gebracht. Diese möchten wir Ihnen in unserem heutigen Beitrag zusammenstellen:

 

 

1. Umgangsrecht

 

Grundsätzlich hat bislang keine coronabedingte Beschränkung dazu geführt, dass hierdurch der Umgang mit einem umgangsberechtigten Elternteil ausgesetzt wird. Das Infektionsgeschehen tangiert nicht die Voraussetzungen des Umgangs.

 

Selbst bei Geltung strenger infektionsschutzrechtlicher Kontaktbeschränkungen bleibt die Pflege des absoluten Minimums an zwischenmenschlichen Kontakten erlaubt. Der Umgang der Kinder mit ihren Eltern zählt zu diesem Kontaktminimum.

 

Etwas anderes und damit eine Einschränkung oder der Ausschluss des Umgangsrechtes kommt nur in Betracht, wenn nach den Umständen des Einzelfalles der Schutz des Kindes dies erfordert, um eine Gefährdung der seelischen und/oder körperlichen Entwicklung des Kindes abzuwehren. Es ist mithin eine konkrete Kindeswohlgefährdung erforderlich, wohingegen abstrakte Gesundheitsgefahren aufgrund der Pandemie nicht ausreichen.

 

Daher darf der Umgangskontakt auch nicht an eine negative Testung oder COVID-19-Impfung oder Maskenpflicht geknüpft werden. Dies Anknüpfung an Negativtestung, Impfung oder Maskenpflicht würden das Umgangsrecht einschränken. Diese Einschränkung ist jedoch nur bei konkreter Kindeswohlgefährdung erlaubt. In der Obhutsfamilie gilt ebenfalls weder Test-, Masken noch Impfpflicht. Dies unabhängig vom tatsächlichen Gelebten.

 

Nur bei punktuellem Unvermögen ist der Umgang kurzzeitig auszusetzen, beispielsweise bei einer COVID-19-Erkrankung, einer SARS-CoV-2-Infektion, einer behördlichen Quarantäneanordnung oder einem spezifischen Risikopotential wegen schwerer Vorerkrankungen. Eine freiwillige Selbst-Quarantäne ohne behördliche Anordnung und ohne hinreichenden sachlichen Grund, wie einer positiven Corona-Testung oder persönlicher Kontakt mit einer positiv getesteten Person, schränken die Umgangskontakte nicht eine.

 

Etwas Anderes kann nur bei begleitetem Umgang durch Anordnung der Begleitperson gelten.

 

 

2. Umgangserweiterung zur Vermeidung der Kita-Notbetreuung

 

Während des Lockdowns 2020 hat das Amtsgericht München eine Erweiterung des Umgangsrechtes während der Kita-Notbetreuung durch den Umgangselternteil befristet für den Zeitraum der Kita-Schließungen bejaht. Dies wurde damit begründet, dass der pädagogische und soziale Nutzen dieser Form der Fremdbetreuung deutlich herabgesetzt ist und in der Kita ein hohes Infektionsrisiko besteht.

 

Ob dies zwei Jahre später noch Geltung entfaltet, ist bislang nicht geklärt, wohl aber eher unwahrscheinlich.

 

 

3. Kindesherausgabe nach Umgang bei Quarantäne

 

Zum Ende des Kontaktes hat der Umgangselternteil auch bei behördlich angeordneter Quarantäne das Kind an den Obhutselternteil herauszugeben. Die Quarantäne begründet keine rechtliche Unmöglichkeit der Herausgabe des Kindes an den Obhutselternteil.

 

Der hauptsächlich betreuende Elternteil wird in diesem Fall wohl aber die Abholung anbieten und ggf. selbst abholen müssen.

 

 

4. COVID-19-Impfumg des Kindes

 

Zur COVID-19-Impfung für Kinder haben wir bereits Blogbeiträge verfasst. An der mitgeteilten Rechtslage hat sich nichts geändert, vielmehr wurde diese durch die Rechtsprechung mittlerweile bestätigt. Im Rahmen dieser Zusammenfassung erfolgt daher nur eine Kurzdarstellung.

 

Die Durchführung von Schutzimpfungen des Kindes stellt eine Angelegenheit von erheblicher Bedeutung dar. Dies gilt auch für Impfungen gegen das Coronavirus.

 

Sind sich Eltern nicht einig, muss ein Gericht über die Gesundheitssorge als Teil der elterlichen Sorge entscheiden und wird diese demjenigen Elternteil übertragen, der das bessere Konzept verfolgt. Maßstab ist dabei grundsätzlich die STIKO-Empfehlung und der Kindeswille.

 

Bei bestehender STIKO-Empfehlung wird das Gericht daher im Regelfall demjenigen Elternteil die Entscheidungsbefugnis bezüglich der Durchführung der Impfung übertragen, der die Impfung entsprechend einer STIKO-Empfehlung befürwortet.

 

Liegt keine STIKO-Empfehlung vor, das gilt aktuell für Kinder unter 5 Jahren, gibt es keine einheitliche Rechtsprechung. Das Amtsgericht Hamburg hat der die COVID-19-Impung befürwortenden Mutter die Entscheidungsbefugnis übertragen. Das Amtsgericht Düsseldorf und das Amtsgericht Bandenburg haben dagegen die Übertragung der Entscheidungsbefugnis auf den die COVID-19-Impfung befürwortenden Elternteil abgelehnt, sodass es bei der gemeinsamen elterlichen Sorge verblieb und das Kind damit nicht geimpft werden konnte. Nach Einschätzung der Verfasserin wird sich wahrscheinlich die zweite Ansicht durchsetzen, sodass diese Kinder nicht geimpft werden können.

 

Die Reichweite der übertragenen Entscheidungsbefugnis betreffend die Impfung orientiert sich dabei am eingeleiteten Verfahren. Die Übertragung im einstweiligen Verfügungsverfahren umfasst in der Regel nur die Grundimmunisierung (d.h. zumeist Erst- und Zweitimpfung). Die Übertragung der Entscheidungsbefugnis im Hauptsacheverfahren dagegen umfasst in der Regel nicht nur die Grundimmunisierung, sondern auch von der STIKO empfohlenen Auffrischungs- und Folgeimpfungen.

 

 

5. Corona-Testung

 

Die Testung des Kindes auf das Coronavirus wird je nach Kontext als Angelegenheit von erheblicher Bedeutung eingestuft oder nicht.

 

Als Angelegenheit von erheblicher Bedeutung hat das Oberlandesgericht Bamberg die schulische Testung eingestuft und dabei auf die Folge einer Testverweigerung, nämlich auf den Ausschluss des Kindes vom Präsenzunterreicht, den erheblichen Nachteil für den Lernerfolg, die Eingebundenheit im Klassenverband und die Freude an der Schule abgestellt. Damit entspreche es dem Kindeswohl am besten, die Entscheidungsbefugnis dem die Coronatestung des Kindes befürwortenden Elternteil zu übertragen

 

Die Coronatestung im Rahmen des Umgangs stellt dagegen keine Angelegenheit von erheblicher Bedeutung dar. Bei der Coronatestung des Kindes im privaten Umfeld handelt es sich um allgemeine pandemiebedingte Belastungen, die dem Alleinentscheidungsrecht des Umgangselternteil unterliegen.

 

 

Wir beraten Sie gerne und helfen Ihnen bei der Durchsetzung Ihrer Rechte. Schreiben Sie uns gerne eine Email über kanzlei@heinicke-eggebrecht.de oder rufen Sie uns an unter +49(0)89 552261-0.